Publiziert am 27. August 2014 von Daniel Baumann

Wölfli auf 150 und zurück

Er passt nicht in die Kunst-, nicht in die Musik-, nicht in die Literaturgeschichte. Er ist der Winkelried der Sprache, der Stille Has der Musik, der Dränger und Stürmer, der jedem Wölfli ein Goal versenkt. Darum kehren wir immer wieder zu ihm zurück und erst recht jetzt, wo er 150 geworden wäre. Insbesondere aber am kommende Wochenende in der Kunsthalle Bern mit einem vielfachen Hommage.

Es beginnt am Freitag um 18 Uhr mit einem Marathon: während 12 Stunden lesen wir Adolf Wölflis „Von der Wiege bis zum Graab“, nonstop bis 6 Uhr morgens (ja, Suppe ist geplant). Am Samstagnachmittag geht es dann weiter wenn um 16 Uhr Balts Nill und Lorenz Pauli mit „E Kokosnuss mit Ryssverschluss“ für alle Kinder ab 7 Jahren loslegen. Darauf folgt eine Reihe von musikalischen Uraufführungen, nicht zuletzt auch von Wölflis eigener Musik! (Programm)

Ab 20 Uhr steigt „Bern ist überall“ ins Rennen und wir werden sehen, ob die Urenkel Wölflis ihrem Vorfahren das Wasser reichen können! Ein Vorgeschmack hat Gerhard Meister bereits geliefert, ein scharfer Hüftschuss, wie ich sagen muss: „Lue ds Vreneli tuet zeichne, lue zVreneli zeichnet es Wöufli, lue mau das Wöufli wo zVreneli het zeichnet…“. Der Samstagabend beschliesst der Musiker und Gitarrist Fred Frith, der wie Wölfli zu den grossen Pionieren selten gehörter Musik zählt.

Der nächste Tag, der Sonntag, gehört dann der Waldau. Um 15 Uhr findet eine Führung durch das Schweizerische Psychiatrie-Museum statt, wo u.a. auch die von Wölfli verzierten Schränke stehen. Um 18 Uhr 30 folgen in der Waldaukappelle eine Reihe von Uraufführungen: Das Berner Trio Montin spielt Werke von Roland Moser und Sándor Veress „Trois cadres“. Den Abend beschliesst der Münsterorganist Daniel Glaus mit seinem neuen Werk „Orgelkomposition, die Erfindung N° 187 die Skt. Adolf=Orgel, mit Allmacht=Betrieb für die Kapellenorgel“.

woelfli

Das letzte Wort aber gehört Wölfli, der auch politisch nicht vor radikalen Vorstellungen zurückschreckte: „Infolge Umänderung des schweizerischen Rebuplik-Organisattions, Militähr, Staats und Gesetzeswesens, in eine herzoglich, obrigkeitliche Landes-Regenttschaft und, Enggagierung eines höchst eigenen Landes-Bürgers als Hertzog, hat nun der gantze, schweizerische Bundes-Raht, mit seinem Präsidentten an der Spitze, direkt, abzudanken und machtlos, abzutretten, woführ ich, Endsunterzeichnetter, dem Letztern, zu’r gegen-seittigen, gleichmässigen Theilung, die Summe von rund: 8,000,000,000, Fraanggen, regelrecht, vertestamennttiere.“ (1912)

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Daniel Baumann

Kurator der Adolf Wölfli-Stiftung im Kunstmuseum Bern. Kunsthistoriker und Kritiker; Mitbegründer des Ausstellungsraumes New Jerseyy in Basel; seit 2004 Kurator einer fortlaufenden Ausstellungsreihe in Tbilisi/Georgien und zusammen mit Dan Byers und Tina Kukielski der 2013 Carnegie International im Carnegie Museum of Art in Pittsburgh.

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