Publiziert am 8. April 2016 von Claudia Blank

Werke aus «Moderne Meister» – Lovis Corinth, Selbstbildnis

In der Sammlungsausstellung Moderne Meister. «Entartete» Kunst im Kunstmuseum Bern beschäftigen wir uns mit der Herkunft unserer Werke, mit besonderem Fokus auf die Moderne Kunst. Das Kunstmuseum Bern verfügt über sieben Kunstwerke, die sich ehemals in deutschen Museen befanden. Wie kommt es, dass diese Werke heute Teil unserer Sammlung sind und wir sie im Kunstmuseum Bern präsentieren können? In einer Serie von sieben Blog- und Videoblogbeiträgen widmen wir uns mit jeweils einem Werk und legen den derzeitigen Wissenstand zu den Wegen und Umwegen jener Werke ins Kunstmuseum Bern offen. Wir beginnen mit…

Lovis Corinth, Selbstbildnis, 1923,

… dem einzigen vom Kunstmuseum selbst erworbenen Werk, das einst  in einem deutschen Museum gehangen hatte. Am 30. Juni 1939 wurde es auf der Auktion Gemälde und Plastiken Moderner Meister aus deutschen Museen bei der Galerie Fischer in Luzern angekauft. Kunstwerke, die zuvor aus deutschen Museen im Rahmen behördlich angeordneter „Säuberungsaktionen“ beschlagnahmt worden waren, gelangten auch auf anderen Wegen in Schweizer Sammlungen, diese Auktion aber war das wohl markanteste Verkaufsereignis für sogenannt „entartete“ Kunst.

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Im Vordergrund Ewald Matarés liegende Kuh, im Hintergrund Lovis Corinths Selbstbildnis in der Ausstellung «Moderne Meister».

Im Vorfeld der Auktion hatte sich die Direktion des Kunstmuseums Bern über die Ankaufsstrategie beraten. So ist etwa im Sitzungsprotokoll vom 27. Juni 1939 Folgendes festgehalten: „Was die in Luzern zur Versteigerung kommenden Bilder aus deutschen Museen betrifft, so haben die Vertreter der Behörden und die meisten Direktionsmitglieder am Montag die Werke angesehen und sind zum mehrheitlichen Beschluss gekommen, in erster Linie auf das „Selbstbildnis“ von Corinth zu bieten.“ Weiter geht aus dem Protokoll hervor, dass Cuno Amiet, damals ebenfalls Direktionsmitglied des Kunstmuseums, vorschlägt, das Selbstbildnis von Vincent van Gogh, damals als Spitzenwerk der Auktion gehandelt, gemeinsam mit anderen Schweizer Museen zu ersteigern. Allerdings scheiterte dieses Vorhaben.

Als obere Preislimite für Corinths Werk werden Fr. 11‘500.00 festgelegt, exklusive der üblichen 15% Aufgeld, selbst wenn ein Direktionsmitglied den Betrag als viel zu hoch einstuft. Für die Versteigerung wird eine Strategie der Geheimhaltung beschlossen. Weder der Auktionator noch das anwesende Publikum sollte bemerken, dass sich das Kunstmuseum Bern für das Gemälde interessiert – aus diesem Grund bot anstelle des Konservators Conrad von Mandach Herr Steiger auf das Los Nr. 19. Dieses Verfahren wird auch bei heutigen Auktionen oft und gerne angewandt, um etwa den Preis nicht unnötig in die Höhe zu treiben. Das Gemälde wurde dem Kunstmuseum Bern schliesslich zum Kaufpreis von Fr. 6‘300.00 exklusive Aufgeld zugeschlagen.

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Corinth Lovis, Selbstbildnis, 1923, Öl auf Karton 70 x 85 cm. Kunstmuseum Bern, Staat Bern, Eingang 1939.

Sein Ansehen hat Corinths Selbstbildnis sicherlich nicht zuletzt auch seiner Herkunftsgeschichte zu verdanken: für kurze Zeit war es im Besitz der Familie Täubler in Berlin, die es noch in seinem Entstehungsjahr im Tausch an das berühmte Kronprinzenpalais der Berliner Nationalgalerie übergab.  Ein Museum wie die Nationalgalerie, dessen von Ludwig Justi initiierte Gegenwartsabteilung im Kronprinzenpalais Vorbildfunktion für so gewichtige Institutionen wie etwa das Museum of Modern Art in New York haben sollte, kann sich in der Provenienz eines Werks durchaus auch auf sein Prestige auswirken.

Die Ausstellung Moderne Meister – «Entartete» Kunst im Kunstmuseum Bern hat am 6. April 2016 eröffnet und dauert bis am 21. August.

Veröffentlicht unter Allgemein, Experten am Werk
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Autor

Claudia Blank

Claudia Blank studiert Kunstgeschichte und Ausstellungs- und Museumswesen an der Universität Bern und steht kurz vor dem Abschluss der Masterarbeit. Zwischen 2012 und 2015 arbeitete sie am Schweizerischen Kunstarchiv von SIK-ISEA. Seit September 2016 ist sie wissenschaftliche Volontärin und Assistentin von Daniel Spanke am Kunstmuseum Bern.

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