Publiziert am 30. September 2016 von Regula Berger

Von Fürsten, Kunst und Kutschen

Mit der Präsentation der Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein gibt das Kunstmuseum Bern diesen Herbst Einblick in eine der weltweit schönsten und wichtigsten Privatsammlungen. Diese hat ihren Ursprung im 17. Jahrhundert und umfasst Meisterwerke der europäischen Kunst aus fünf Jahrhunderten.

Die Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein, wie sie heute bestehen, sind das Ergebnis einer über 400-jährigen Sammeltätigkeit. Sie sind geprägt von den einzelnen Fürsten mit ihren individuellen Sammelvorlieben und entsprechend vielfältig sind die Bestände, die von der Gotik und Frührenaissance über die Barockzeit bis hin zum Biedermeier reichen. Zum heutigen Zeitpunkt umfassen die Sammlungen etwa 1700 Gemälde, darunter absolute Meisterwerke, unter anderem von Lukas Cranach d. Ä., Raffael, Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck oder Canaletto. Daneben finden sich auserlesene italienische Bronzen des 16. und 17. Jahrhunderts sowie imponierende Bestände an Pietra Dura-Arbeiten, Emaillen, Elfenbeinen, Prunkwaffen, Porzellanen, Tapisserien und Möbeln, die einst zur Ausstattung der Residenzen der Familie gehörten.

Elisabeth Vigée-Lebrun Porträt der Fürstin Karoline von Liechtenstein (1768–1831), geb. Gräfin von Manderscheidt-Blankenheim, als Iris, 1793 Öl auf Leinwand, 216 x 271 x 20 cm © LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Elisabeth Vigée-Lebrun, Porträt der Fürstin Karoline von Liechtenstein (1768–1831),
geb. Gräfin von Manderscheidt-Blankenheim, als Iris, 1793 (Auschnitt). Öl auf Leinwand, 216 x 271 x 20 cm © LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Barockes Palais

Ab 1705 wurde unter Fürst Johann Adam Andreas I. der Kern der Sammlung im Stadtpalais der Familie in der Wiener Bankgasse in einem eigens dafür vorgesehenen Galerieraum erstmals permanent präsentiert. Ab 1807 wurde die Sammlung unter Fürst Johann I. in das sogenannte Gartenpalais in der Rossau in Wien übersiedelt und 1810 öffentlich zugänglich gemacht. Nach einem kriegsbedingten Unterbruch ist noch heute ein Teil davon in diesem eindrücklichen Barockpalais zu bewundern. Nach aufwendigen Renovierungsarbeiten ist seit April 2013 nun auch ein Besuch des Stadtpalais im Rahmen von gebuchten Führungen möglich. Die Familie Liechtenstein, die ihren Wohnsitz 1938 nach Vaduz transferierte, führt ihre Sammeltätigkeit bis heute fort, im Sinne des Erhalts und der Ergänzung ihrer hochkarätigen Sammlung.

Giovanni Antonio Canal, gen. "Il Canaletto" (1697–1768) Ansicht der Mündung des Canale di Cannaregio in den Canal Grande mit dem Palazzo Labia, dem Campanile von S. Geremia und dem Ponte delle Guglie, 1734/42 Öl auf Leinwand, 46,3 x 62,5 cm LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Giovanni Antonio Canal, gen. “Il Canaletto” (1697–1768), Ansicht der Mündung des Canale di Cannaregio in den Canal Grande mit dem Palazzo Labia, dem Campanile von S. Geremia und dem Ponte delle Guglie, 1734/42. Öl auf Leinwand, 46,3 x 62,5 cm LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Repräsentativer Querschnitt

Für die Ausstellung in Bern wurden aus den immensen Beständen gut 200 Kunstwerke ausgewählt, die einen repräsentativen Querschnitt durch die Schätze des regierenden Fürsten, Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, bieten. Die Sammlung ist Anknüpfungspunkt für viele Geschichten, ob über die Fürsten selbst oder einzelne Sammlungsstücke. Der Goldene Wagen beispielsweise, den Joseph Wenzel I. in seiner Funktion als kaiserlicher Botschafter in Versailles ab 1737 von Nicolas Pineau anfertigen liess, gilt heute als eine der wichtigsten Galakarossen des französischen Rokoko. Die Grösse des Wagens verhindert eine Reise nach Bern, aber einen anderen Ankauf, den Fürst Joseph Wenzel I. tätigte, können wir in unserer Ausstellung präsentieren. Es ist dies Canalettos Ansicht der Mündung des Canale di Cannaregio von 1735/1742. Interessant ist, dass das Gemälde später aus den Fürstlichen Sammlungen ausschied, um schliesslich 2007 durch Fürst Hans-Adam II. wiedererworben zu werden.

Friedrich von Amerling Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein (1834–1909) im Alter von zwei Jahren, 1836 Öl auf Karton, 33,3 x 26,7 cm LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Friedrich von Amerling, Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein (1834–1909) im Alter von zwei Jahren, 1836. Öl auf Karton, 33,3 x 26,7 cm. LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Zauberhafte Bildnisse

So beauftragte er beispielsweise die Künstlerin Elisabeth Vigée-Lebrun, als sich diese in Wien aufhielt, mit dem Porträtieren seiner Familie. Dabei entstand 1793 das monumentale Porträt der Fürstin Karoline von Liechtenstein als Iris. Die Füsse der als griechische Göttin dargestellten Fürstengattin sind nackt. Wie in den Memoiren der Künstlerin überliefert ist, führte dies bei den Oberhäuptern der Familie zu grosser Irritation. Der Fürst löste das Problem, indem er unter dem Gemälde ein hübsches Paar Ballschuhe anbringen liess, als seien diese seiner Gattin soeben von den Füssen geglitten. Fürst Alois I. war nicht der einzige Fürst, der seine Familienmitglieder porträtieren liess. Fürst Alois II. ist es zu verdanken, dass ein ganz besonderes Werk nach Bern kommt. In seinem Auftrag entstand die Serie der gemalten fürstlichen Kinder aus der Hand von Friedrich von Amerling. Das Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein zeigt das schlafende Kind im Alter von zwei Jahren mit seiner Puppe im Arm. Amerling gelingt es in berührender Weise, die Geborgenheit dieser friedvollen Szene einzufangen. Solche Geschichten sind es, die zum privaten Charakter der Fürstlichen Sammlungen beitragen.

 

Die Ausstellung «LIECHTENSTEIN. Die Fürstlichen Sammlungen» wird am 11.11.2016 eröffnet und dauert bis am 19.03.2017

Veröffentlicht unter Allgemein, Blick hinter die Kulissen
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Autor

Regula Berger

Regula Berger hat Rechtswissenschaften an der Universität Bern studiert und 2008 mit einer Arbeit im Bereich Kunstrecht promoviert. 2009 folgte ein Semesterstudium „Art & Business“ am Sotheby’s Institute of Art in London und von 2014 bis 2016 ein Postgraduate Studium „Museum and Gallery Studies“ an der School of Art History, University of St Andrews, Schottland. Seit 2010 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin im Kunstmuseum Bern, nachdem sie zuvor mehrere Jahre als Anwältin tätig war.

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