Publiziert am 17. Oktober 2019 von Nora Lohner

Von Bern ans Bauhaus

Das Bauhaus feiert 2019 sein hundertjähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass widmet das Kunstmuseum Bern dem Künstler und Pädagogen Johannes Itten (1888–1967) eine umfassende Sonderausstellung. Itten war einer der ersten Meister am Weimarer Bauhaus und prägte dessen Ausrichtung wegweisend mit.

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Johannes Itten im Malkittel mit Goldener-Schnitt-Zirkel und Farbstern, Weimar, 1921, Itten-Nachlass Zürich. Foto : Paula Stockmar

Ein Bauernbub aus dem Berner Oberland

Johannes Itten wird 1888 in Süderen-Linden geboren und verbringt seine gesamte Kindheit im Berner Oberland – die Zeit ist von Einsamkeit, harter Arbeit und Naturerlebnissen geprägt. Obwohl er in bescheidenen Verhältnissen aufwächst, kann er das Gymnasium besuchen und eine Ausbildung zum Lehrer beginnen. Von 1904 bis 1908 besucht er das Lehrerseminar in Hofwil und Bern. Es sind genau diese Jahre, in denen sich am Lehrerseminar Bern-Hofwil eine sanfte Schulreform durchzusetzen vermag, nicht zuletzt unter dem 1905 neugewählten Direktorat von Ernst Schneider, der zu einer «möglichst individuellen Behandlung der Schüler» rät und den Lehrer zu einer «geistig hochstehenden, weitblickenden Persönlichkeit, zu einer Lehrerpersönlichkeit, einem Künstler» entwickeln will. In seinen Lebenserinnerungen schreibt Itten über Schneider: «Zu meiner Zeit war er ein begeisternder Lehrer. Die Probleme der modernsten Schulreformen um 1905/06 wurden diskutiert […] Es war eine revolutionäre Luft im Haus.»

Die Ablösung vom sturen Frontalunterricht und die Zuwendung zu einer individuellen Förderung lernt Itten also, genauso wie verschiedene Lebensreformbewegungen, bereits während seiner eigenen Ausbildung kennen. Ittens eigene Ausbildung führt ihn, neben Stationen an der Universität Bern und der Kunstakademie in Genf, 1913 an die Königliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Den Weg dorthin bringt er, ganz im Sinne der damals aktuellen Wandervogel-Bewegung, zu Fuss hinter sich.

Itten am Klavier mit Oskar Schlemmer

Johannes Itten (am Klavier) mit Oskar Schlemmer im Atelier, Stuttgart, 1916, Itten-Nachlass Zürich

Der Ruf nach Weimar

Drei Jahre studiert Itten in Stuttgart und nimmt schon bald selber Schüler und Schülerinnen zur Ausbildung an. Mit dem Ziel eine private Kunstschule zu gründen, zieht er 1916 nach Wien, wo er im illustren Kreis der dortigen Kunst-, Musik- und Literaturszene verkehrt und sowohl eine eigene Kunstpädagogik entwickelt, als auch künstlerisch einen Durchbruch erlebt. Hier lernt er Alma Mahler kennen, die zu diesem Zeitpunkt mit dem Architekten Walter Gropius verheiratet ist und die, genau wie Itten, aufgeschlossen gegenüber esoterischen Weltanschauungen ist. Denn insbesondere in Wien beginnt Itten, sich vertieft mit philosophisch-religiösen Fragen auseinanderzusetzen, darunter auch mit der Mazdaznan-Lehre.

Die erste Berührung mit dieser Lehre fand bereits während seiner Berner Studienzeit über die Mutter einer Bekannten statt, die in der Genfergasse ein vegetarisches Restaurant führte. Zum Konzept dieser reformerischen Lebensführung gehören neben sparsamer und vegetarischer Ernährung unter anderem auch Atemübungen, die Itten in seinen Wiener Unterricht einbindet. Gerade wegen seiner innovativen Ausrichtung im Bereich Pädagogik und seinem universalistischen Kunstverständnis, entpuppt sich Itten zu einem äusserst attraktiven Kandidaten für die Position als Bauhaus-Meister und Walter Gropius beruft Itten noch im Gründungsjahr 1919 nach Weimar.

Es lebe die Zwiebel

Am Bauhaus führt Itten seine radikale Lebensphilosophie weiter und kann als ausgebildeter und erprobter Pädagoge zu der Vision einer antiakademisch ausgerichteten Gestaltungsschule beitragen. Er entwickelt als Grundlehre den gestalterischen Vorkurs und leitet verschiedene Werkstätten. Später schreibt er darüber: «Der Mensch selbst als ein aufzubauendes, entwicklungsfähiges Wesen schien mir Aufgabe meiner pädagogischen Bemühungen. Sinnesentwicklung, Steigerung der Denkfähigkeit und des seelischen Erlebens. Lockerung und Durchbildung der körperlichen Organe und Funktionen sind die Mittel und Wege für den erzieherisch verantwortungsbewussten Lehrer.»

Ittens ganzheitliches Konzept mit diversen Anlehnungen an die Reformpädagogik trug zum Erfolg des Bauhauses bei und lebt bis heute in der Form des gestalterischen Vorkurses in verschiedenen Ausformungen weiter. Auch ausserhalb des Unterrichts berührte Itten die Lebensgestaltung der Schüler und Schülerinnen, wie eine Anekdote belegt: 1921 versuchte er, die vegetarische Küche in der Bauhaus-Kantine einzuführen – mit besonders viel Zugabe reinigender Zwiebeln und Knoblauch. Nach einem halben Jahr wurde über diesen Speiseplan abgestimmt – zugunsten der Zwiebel.

Die Ausstellung «Johannes Itten : Kunst als Leben. Bauhausutopien und Dokumente der Wirklichkeit» dauert noch bis am 2. Februar 2020

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Nora Lohner

Nora Lohner ist wissenschaftliche Assistentin Sammlung des Kunstmuseum Bern. Sie hat Kunstgeschichte an den Universitäten Basel und Hamburg studiert und ist seit 2019 am Haus tätig.

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