Publiziert am 17. Januar 2014 von Anna Schölß

ten times. Eine auditiv-visuelle Annäherung an Berner Aussenräume im Winter 2013

residency.ch unterhält im PROGR eine Wohnung, die Kunstschaffenden einen Aufenthalt in Bern ermöglicht. Anna Schölß ist im Winter 2013/2014 zu Gast und berichtet in diesem Artikel von ihrer Aktion «ten times».

Kälte. Nacht. Der Atem gefriert und bildet Dampfwolken um die beiden dick eingemummten Gestalten, die sich im fahlen Autoscheinwerferlicht vom Hintergrund abheben.

Das Autolicht fällt auf eine platt gefahrene, alte Schneefläche, aus der in regelmäßigen Abständen ca. zehn Holzstangen emporragen. Fast könnte man meinen, dieser Ort sei auf einem anderen Planeten, wüsste man nicht, dass man sich im Berner Oberland auf einem Schneefeld bei Nacht befindet. Ein Megaphon liegt umgestürzt am Boden und pfeift in durchdringender Lautstärke, ein Plastikreifen und schwarzweiß bemalte runde Objekte lehnen an den Stangen und stecken im Schnee und geben neue Rätsel auf.

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Foto © 2013 Daniella Gáti

Eine der Gestalten trägt einen einzelnen Lautsprecher durch die beleuchtete Fläche und stellt ihn etwas abseits ab, er gibt vereinzelte dumpfe Sinustöne von sich, der Klang verliert sich auf dem offenen Feld und lässt die landschaftliche Weite erahnen, die durch die Nacht verschluckt wird.

Eine weitere Gestalt mit Farbtuben und einem Pinsel in der Hand kniet am Boden in der Kälte. Einen Augenblick später ist eine runde transparente Fläche erkennbar, an der Farbe zäh und langsam herunterläuft. Bei der Betrachtung der langsamen, durch die Schwerkraft ausgelöste Vermischung der Farben schwarz, neonorange und weiß scheint sich die Zeit zu dehnen, die unregelmäßigen Beats aus Lautsprecher und Megaphon verstärken diesen Eindruck zusätzlich.

Die innerhalb dieses abstrakten Ortes erzeugten Klänge und Objekte scheinen auf irgendeine Art in Zusammenhang zu stehen und miteinander zu kommunizieren.

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Foto © 2013 Marcel Saegesser

Anna Schölß ist Bildende Künstlerin aus München und derzeit Gastkünstlerin bei residency.ch in Bern. Marcel Saegesser ist Klangkünstler und Komponist aus Bern. Gemeinsam erzeugen sie mit ihrer Performance „ten times“ einen temporären abstrakten atmosphärischen Raum an zehn möglichst unterschiedlichen Orten in und um Bern, an denen sie ihre visuellen und klanglichen Materialien auf die jeweiligen landschaftlichen Gegebenheiten treffen lassen. Die Landschaft wird so weit wie möglich auf einen abstrakten Ort mit visuellen und klanglichen Kriterien reduziert. Der Zufall spielt eine grosse Rolle, nichts ausser dem vorbereiteten künstlerischen Material ist vorgeplant, auch Passanten, Wetterbedingungen und Lichtstimmung wirken auf das Geschehen ein. Die extreme Temperatur und die landschaftlichen Bedingungen bestimmen das Tempo der Handlungen, alles geht schnell, die abstrakte Umgebung entsteht für kurze Zeit und wird durch einen raschen Abbau wieder dekonstruiert.

Seit mehreren Jahren schon arbeiten die beiden Kunstschaffenden an gemeinsamen Arbeiten, die sich an der Schnittstelle zwischen visueller und auditiver Kunst bewegen.

„ten times“ wurde als „Kunstaktion mit Reifen, Neonfarbe, Lautsprecher und Zufälligem“ angekündigt und fand zum ersten Mal auf dem Bantiger, dem Fernsehturm bei Bern, statt. Marcel Saegesser und Anna Schölß bestiegen mit sämtlichem Material (Lautprecher, Kabel, Farben, Objekte u.v.m.) die luftige Wendeltreppe, um dort oben Sinustöne und Livepainting mit der weiten Landschaft aufeinandertreffen zu lassen.

„Ten times“ fand des weiteren auf einem Schneefeld und in einem Wald bei Worb statt, sowie in Mürren vor der gewaltigen Bergkulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau. Weitere Durchführungen gab es am Ufer der Aare, in einer Lagerhalle in Worb, auf einer mit Rauhreif bedeckten Wiese am Aareufer, auf einem nächtlichen Parkplatz bei Bern und als letzte Performance vor der Kirche St.Marien in Olten mit Publikum.

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Foto © 2013 Anna Schölß

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Foto © 2013 Anna Schölß

Foto © 2013 Géraldine Meyer

Foto © 2013 Géraldine Meyer

„ten times“ wurde, eingeladen von Géraldine Meyer, im Dezember 2013 im Schauraum Olten als eine Rauminstallation mit neun Monitoren dem Publikum vorgestellt. Eine vollständige Dokumentation ist in Kürze auf den Webseiten der Kunstschaffenden abzurufen:

www.annaschoelss.de
www.marcelsaegesser.com

Veröffentlicht unter Gastbeitrag
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Anna Schölß

geboren 1983, ist Bildende Künstlerin aus München. Sie ist derzeit Gastkünstlerin bei residency.ch im PROGR in Bern. Die künstlerische Arbeit von Anna Schölß bewegt sich im Bereich der abstrakten Farbmalerei, die in einer experimentellen Herangehensweise zu szenografischen Installationen und großformatigen Leinwänden übersetzt wird.

Kommentare

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1 Kommentar

ten times. 2013 | Anna Schölß
Mittwoch, 30. Juli 2014, 10:30

[…] http://blog.kunstmuseumbern.ch/ten-times/ […]