Publiziert am 16. Oktober 2015 von Kathleen Bühler

Sinnliches Abenteuer

Malerei gehört zu den ältesten Kunstpraktiken der Welt. Obwohl sie in den Neunzigerjahren verpönt und für alle ernstzunehmenden Kunstschaffenden quasi verbotenes Terrain war. Das missfiel Silvia Gertsch und Xerxes Ach, welche sich damals kennenlernten und seither einen ausdauernden Dialog über Malerei unterhalten. Nicht nur unterstützten sie sich gegenseitig als Maler bis heute, sondern trieben sich auch gegenseitig in ihrem künstlerischen Weg weiter. Die Frage liegt also auf der Hand, inwiefern sich das parallele und dialogische Schaffen in ihrem Werk ablesen lässt?

Xerxes Ach und Silvia Gertsch in Rüschegg, 2015. Foto: Anne Gabriel-Jürgens

Interessanterweise ist auf den ersten Blick nichts Derartiges zu erkennen. Schliesslich bewegen sie sich an unterschiedlichen Enden malerischer Ausdrucksmöglichkeiten. Silvia Gertsch malt realistisch und Xerxes Ach abstrakt. Bei Silvia Gertsch überwiegen lachende Kinder, nächtliche Autobahnen, strahlende Sommerlandschaften und junge Menschen in der Stadt. Bei Xerxes Ach dominieren einfarbige, zart glänzende oder dunkel leuchtende, in mehreren Schichten aufgebaute Farbfelder. Doch sieht man ein zweites Mal hin, dann erkennt man über die Jahre hinweg ähnliche Farbvorlieben, parallele Entwicklungen von Glanz zu Mattheit oder umgekehrt, vom kleinen zum grossen Format. Umso spannender wird es, wenn man die Arbeitsweise der beiden Künstler betrachtet. Hier fallen plötzlich die Gemeinsamkeiten ins Auge: Beide nehmen farbige Abbildungen (Fotografien, Videostills) als Ausgangspunkt. Sie lassen sich von ästhetischen Reizen ansprechen und zu eigenen Bildfindungen inspirieren. Leuchtende Farben, gleissendes Licht und samtiges Glimmen sind die Resultate. Der Weg von ihren erlebten ästhetischen Reizen führt über die Pracht der Malerei zu neuen Sinnesreizen bei uns.

Atelierimpression, 2014. Foto: Silvia Gertsch

Es sind orchestrierte Reize, die uns Farbe und Licht als Raum oder als Kippmoment von Kälte zu Wärme, von laut zu leise erfahrbar machen. In unserer aktuellen Ausstellung, die am kommenden Donnerstag eröffnet, werden alle Sinne angesprochen und wird das Arsenal heutiger Malerei ausgereizt. Wir hören, schmecken und riechen Malerei und zugleich wird sie immer wieder zurückgebunden zum in höchster Form gesteigerten visuellen Erlebnis – ein sinnliches Abenteuer innerhalb und jenseits der Grenzen unserer Wahrnehmung.

 Die Ausstellung «Silvia Gertsch, Xerxes Ach: Sinnesreize» eröffnet am 22.10.2015.

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Autor

Kathleen Bühler

Kathleen Bühler, Kuratorin und seit 2008 Leiterin der Abteilung Gegenwartskunst am Kunstmuseum Bern. Sie kuratierte unter anderem die Ausstellungen «Merets Funken» (2012), «Das schwache Geschlecht. Neue Mannsbilder in der Kunst» (2013/14) und «Chinese Whispers» (2016).

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