Publiziert am 31. Dezember 2014 von Peter Fischer

Rigi – Moskau – Bern – Rigi

Die Jahreswechsel haben es in sich. Abgebrühtheit hin oder her, Einkehr muss sein. Und da noch einen erträglichen Blog-Beitrag verfassen?

Ich sitze im Chalet Rigirolle, Nebel und Schneegestöber, Minustemperaturen. Ich weiss nicht, wo ich mich dem Berner Alltag entrückter fühlen könnte. Ja vielleicht in Moskau, wo ich vor zwei Wochen war. Kein Nebel, kein Schnee, dafür nass und ein unweichsamer grauer Deckel über einer Metropole, die mich irgendwie nicht so recht gewinnen konnte. Die politische Situation trübte die Stimmung auch ein wenig, wenn auch kaum ausgesprochen. Angereist zur Eröffnung der ersten Paul Klee-Ausstellung in Russland, waren wir willkommene Gäste. Es wurde gefeiert mit allem drum und dran, die Tafeln krümmten sich ob all der feinen Speisen, Gastfreundschaft wird in Russland hochgehalten, ob mit oder ohne Handelsembargos, erlesene französische Weine, Wodkas – kein Problem, da ja einheimisch –, ein Erlebnis für mich Russland-Novizen, und als Höhepunkt des Abends sang die georgische Gastgeberin mit ihrer rauchigen Stimme herzzerreisende Volksweisen.

Die Vernissage selbst im Staatlichen Puschkin Museum vermochte grosses Interesse seitens des Publikums wie der Medien zu wecken, was Balsam auf meine Seele war. Begrüssen wir an den Medienkonferenzen im Zentrum Paul Klee jeweils drei, vier, ja vielleicht auch mal sechs treue zumeist bernische MedienvertreterInnen, erwarteten uns im Puschkin Museum dreissig bis vierzig Journalistinnen, und mehrere TV-Crews waren schon an den Tagen zuvor für Interviews angereist. Es ist ja tatsächlich eine Sensation, mit der Premiere einer Paul Klee-Ausstellung in Russland aufwarten zu können, umso mehr, als auch die Werke Klees in russischen Sammlungen an einer Hand abzuzählen sind.

moskau

Eröffnung Paul Klee-Ausstellung 15.12.2014 im Puschkin-Museum in Moskau, v.l. Irina Antonowa, Präsidentin Puschkin Museum, Pierre Helg, Schweizer Botschafter in Moskau, Peter Fischer, Direktor Zentrum Paul Klee, Sam Keller, Direktor Fondation Beyeler, Matthias Frehner, Direktor Kunstmuseum Bern. In der Reihe gleich dahinter: Barbara Scheibli, Restauratorin ZPK (halb verdeckt), Fabienne Eggelhöfer, Kuratorin ZPK, Anna Szech, Assistenzkuratorin Fondation Beyeler. Bild: Nicolas Iljine.

Mehrere Umstände haben zu diesem glücklichen Projekt geführt: Zuerst das Interesse des Puschkin Museums, bzw. die „Öffnung“ des Museums durch dessen neue Direktorin Marina Loshak, welche die nicht einfache Nachfolge von Irina Antonowa – legendäre Dominatorin der russischen Museumsszene, während 52 Jahren Direktorin des Puschkin Museums und heute dessen Präsidentin – angetreten hatte. Marina Loshak war mit dem Wunsch nach einer Klee-Ausstellung an die Fondation Beyeler herangetreten, deren Direktor Sam Keller mich vor einem guten Jahr kontaktiert hatte, worauf ich ihm die Mitarbeit des Zentrum Paul Klee zusicherte. Dazu kam das Jubiläum der 200-jährigen diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland im 2014. Wir erklärten uns bereit, die Ausstellung zu kuratieren, während die Fondation Beyeler für die logistische Abwicklung, das Vertragswesen und den grössten Teil der Finanzierung der Schweizer Seite des Projekts zuständig war. Von den etwa 150 Exponaten stammen 130 der Sammlung des Zentrum Paul Klee, der Rest aus der Fondation Beyeler, dem Kunsthaus Zürich, und ein Werk stellte das Kunstmuseum Bern zur Verfügung. Unsere Kuratorin Fabienne Eggelhöfer hat damit einen gültigen Überblick über Klees Gesamtwerk zusammen gestellt, der – wie der Eröffnungsabend schon gezeigt hat – geeignet ist, dem interessierten russischen Publikum einen Künstler, den es nur dem Namen nach und anhand von Abbildungen kannte, mit herausragenden Originalen näher zu bringen. Alles in allem ein überaus gelungener Kulturaustausch, der in diesen Zeiten des angespannten Verhältnisses zwischen Russland und dem Westen als besonders wertvoll geschätzt wird.

Überhaupt kommen unsere internationalen Aktivitäten angesichts des dichten Programms, das wir 2015 für unser Berner Stammhaus vorbereiten und eine Woche vor Weihnachten publiziert haben, bezüglich ihrer Wahrnehmung etwas zu kurz. Wir werden 2015 Ausstellungen in Köln, Leipzig, Utsunomiya und Kobe zeigen. Und in einer perfekten Verbindung der jeweiligen Kernkompetenzen organisieren wir zusammen mit der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München die erste umfassende Ausstellung von Paul Klee und Wassily Kandinsky – vom Juni bis September bei uns und von Oktober bis Januar in München zu sehen.

Dass das Kunstmuseum 2014 mit dem Gurlitt-Vermächtnis absorbiert war, hat uns nicht unglücklich gestimmt. (Mit Ausnahme vielleicht des Wunsches, als zukünftiger Kooperationspartner, v.a. was die Sammlungsbewirtschaftung anbelangt, ein klein wenig in die Entscheidungsfindung einbezogen zu werden.) Derweil die Kooperationsvorbereitungen etwas ins Stocken gerieten, hat das ZPK das Jahr genutzt, im Hinblick auf die bevorstehende Mariage endgültig den Ruf der armen ungeliebten Braut abzulegen. Dank fulminanten Programmen in allen unseren Kunstsparten haben wir uns 2014 eine deutliche Umsatzsteigerung erarbeitet, und wir werden nun bereits das dritte Jahr in Folge  finanziell positiv abschliessen. Wenn dann die Burgergemeinde anlässlich der Errichtung der Dachstiftung KMB/ZPK wie beabsichtigt noch unseren Bilanzfehlbetrag übernimmt, gehen wir rundum gestärkt in unsere zweite Dekade. Deshalb blicken wir anlässlich unseres zehnjährigen Jubiläums voraus und freuen auf ein Jahr voller Höhepunkte, ein Jahr, in dem wir das Potenzial der wunderbaren Institution Zentrum Paul Klee in seiner ganzen Fülle leben wollen. Dass die Errichtung der gemeinsamen Dachstiftung mit dem Kunstmuseum und der Beginn einer engeren Zusammenarbeit ebenfalls in unser Jubiläumsjahr fallen, ist eigentlich ein schöner Zufall.

Somit wünsche ich uns und dem Kunstmuseum, dass unser Schicksalsjahr 2015 ein für alle sehr erfreuliches sein wird, eines, das Tore aufstösst, Wege ebnet und fruchtbare Gefilde eröffnet. In diesem Sinne erhebe ich mein Glas auf ein glückliches neues Jahr! Die Schneeflocken auf der Rigi tanzen übrigens immer ausgelassener. Das passt doch.

Veröffentlicht unter Gastbeitrag
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Peter Fischer

Peter Fischer ist seit November 2011 Direktor des Zentrum Paul Klee. Zuvor war er während 10 Jahren Direktor des Kunstmuseum Luzern. Sein Interesse ist breit gefächert, sodass er sich nebst der bildenden Kunst von Klee (ja eigentlich von der Urzeit) bis zur Gegenwart auch der Musik und Literatur sowie insbesondere der Vermittlung von spartenübergreifenden künstlerischen Ausdrucksformen widmet.

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