Publiziert am 23. August 2018 von République Géniale

Peter Radelfinger – aus Fillious Backstube (n°2)

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Peter Radelfinger, Arbeitstisch 201,8 mit Rpbert Filliou und seiner Familie mit VW Campingcar, den sie als Territorium Republik Geniale proklamierten, um 1974

Vor zwei Wochen bin ich von einem dreimonatigen Auslandaufenthalt nach Zürich zurückgekehrt. Bei der Durchsicht der Post habe ich die Einladung und das Programm des Grossanlasses «République Géniale» angeschaut. Ich war erstaunt, ja perplex, dass die mit mir geplanten und ausführlich abgesprochenen Anlässe nicht aufgeführt sind. Im anschliessenden Telefonat mit den Ausstellungsmacher*innen wurde ich aufgeklärt, dass meine Anlässe unter www.republiquegeniale.ch nur digital einsehbar sind, wie viele andere Anlässe auch. Nun ist bekannt, dass Künstler*innen oft empfindliche, leicht gekränkte, nazisstische Wesen sind. Es geht mir aber nicht darum:

Die Art und Weise wie das ganze hier in Bern aufgezogen ist, widerspricht aus meiner Sicht fundamental der Haltung von Robert Filliou!

Das fängt schon mit dem ersten Satz des Programms an: «Während drei Monaten herrscht im Kunstmuseum Bern die «République Géniale»… » Der Anarchist und Pazifist Filliou wird sich im Grab umdrehen. Seine «République Géniale» avisiert einen staatenlosen Freiraum (begonnen mit einem VW-Campingcar), sein Prinzip der Äquivalenz strebt nach der Gleichwertigkeit von gross und klein, gut und schlecht, wichtig und unwichtig… Dies müsste als Erstes in der Programmierung Ausdruck finden, im sichtbaren Programm (print und digital), in der Darstellung, im Auftritt – alles gleichwertig!! Alle Anlässe, alle Personen, ja: die Kinder voran, die Kleinen, die Schwachen, die Schlechten, durchmischt mit Stars, mit Publikumsmagneten usw.

Bien fait, mal fait, pas fait !

Diese Wertung und Klassierung, die mit einem solchen Auftritt vorgenommen wird, widerspricht auch Fillous Ideen des utopischen Sozialismus, der poetischen Ökonomie, des Eternel Network und der permanenten Kreation, auf die ich später noch kommen werde. Die ganze Leichtigkeit, Spontaneität, der Humor und auch die Widersprüchlichkeiten sind weg.
Bei allem Respekt vor der beeindruckenden Arbeit der Organisatoren des Grossanlasses im Kunstmuseum Bern – vorab der vielen kleinen, unspektakulären Beiträge und Aktionen: Die Rahmung eines «Bildes» sagt einiges aus, über die Haltung der Produzenten, und beeinflusst und verändert das Bild massgeblich.
Es ist für das KMB eine grosse Chance, neben den bekannten Hauptschienen des Museums, eine Schiene mit Leuten wie Terry Fox, Robert Filliou u.a. zu fahren und ein markantes, auffälliges, eigenwilliges Profil zu entwickeln. Dafür braucht es aber den Eindruck, dass dies auch wirklich verstanden und auch konsequent, mit Überzeugung und sichtbar realisiert wird.

Diese im Vorfeld und im Geiste Fillious von mir geäusserte Kritik, der Verweigerung von Personenkult und Konkurrenzdenken, und dem Misstrauen gegenüber Institutionen und staatlichen Körperschaften, hat die Ausstellungsleiter*innen dazu bewogen, mich aufzufordern für diesen Blog und die online Publikation (kritische) Beiträge zu schreiben, was ich mutig finde und gerne im konstruktiven Sinn tue.

Lecture Performance von Peter Radelfinger Hors d’Oeuvre: Ein Brötchen für Robert Filliou – «In der Backstube des Denkens» am 29.08. um 12h.

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République Géniale

Anhand dieser Blogartikel, Interviews und Videos von und mit den Beteiligten wird fortlaufend dokumentiert und reflektiert, was in der «République Géniale» stattfindet.

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