Publiziert am 5. Juli 2013 von Daniel Spanke

Pablo Wendel – auch ich war ein Soldat des ersten Kaisers von China

Als ich von der fantastischen Qin-Ausstellung im Bernischen Historischen Museum erfuhr, dachte ich sofort an die Videoarbeit von Pablo Wendel, in der er sich als lebende Plastik in die Terrakotta-Armee des ersten Kaisers von China heimlich eingefügt hat. Bern ist eine so lebendige und facettenreiche Kulturstadt, dass es doch schön wäre, deutlich zu machen, dass wir im Kunstmuseum Bern die Arbeit der anderen Institutionen wahrnehmen und würdigen. Pablo kannte ich noch gut aus meiner Stuttgarter Zeit als beeindruckenden jungen Künstler und er erklärte sich sofort bereit, das Video bei uns im Haus zu präsentieren. Einen dafür geeigneten Ort im Museum zu finden, war gar nicht so einfach. Matthias Frehner hatte dann die zündende Idee, das Video mitten in den Altmeistern zu zeigen. So wie Pablo Wendel sich unter die Terrakotta-Armee geschmuggelt hat, so schmuggelten wir sein zeitgenössisches Video nun unter die Alten Meister. Dabei haben die Sujets der Gemälde von Niklaus Manuel durchaus etwas mit der Terrakotta-Armee zu tun. Auf einer doppelseitigen Tafel in der Raummitte, sieht man etwa das Martyrium der Hl. Ursula mit einem Ansturm bewaffneter Soldaten im Vordergrund. Die Tafel haben wir mit dieser Seite extra zum Video drehen können.

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Wo ist der Künstler?

Im Video sieht man wie Pablo Wendel als Terrakotta-Krieger des ersten Kaisers zurechtgemacht in der Ausgrabung in Xi‘an unter den anderen Figuren steht. Dann erkennt ihn ein Besucher, der die Aufsichten, ebenfalls Soldaten informiert. Was dann geschieht ist höchst spannend zu verfolgen und zum Teil auch überraschend. Das Video endet damit, wie der Künstler, der immer noch die Rolle einer Plastik spielt, von den Armeeangehörigen weggetragen wird.

Im Künstlergespräch, dass am 26. Mai 2013 im Altmeistersaal des Kunstmuseums vor dem Video stattfand, erzählte dann Pablo Wendel von den Vorbereitungen, die für seine Performance in Xi’an notwendig waren. Was zunächst so einfach und scherzhaft aussieht, bedurfte monatelanger Hinarbeit mit einem bis zu achtköpfigen Team. Dabei musste äusserst konspirativ vorgegangen werden, damit der Künstler keinen seiner Mitarbeiter in Gefahr bringt. Immerhin handelte es sich um die Planung einer Kunstaktion, die man durchaus von Seiten der Behörden als ernsthafte Straftat oder mehr hätte einstufen können. So wurden immer wieder alle Handygespräche und der Mailverkehr gelöscht, um keine Spuren zu hinterlassen. Das Gelände, die Bedingungen in dem hochbewachten Museum der Grabanlage mussten genau ausgekundschaftet werden, um das günstigste Szenario für Pablo Wendel zu entwerfen. Er musste überhaupt erst einmal im vollem Kostüm in die Anlage kommen, dann einen geeigneten Augenblick für das Eindringen in das Grabungsfeld  finden und durfte auch nicht zu früh entdeckt werden. Alles sehr heikle Punkte, bei deren Planung nichts dem Zufall überlassen werden konnte.

Pablo Wendel sprach dann auch über die Konsequenzen in China, die seine Kunstaktion für ihn gehabt hat. Nach langen Verhören wurde ihm eine Verwarnung ausgesprochen und sein China-Aufenthalt im Rahmen eines Stipendiums war beendet. Bis heute ist Wendel nicht wieder nach China eingereist. Die überraschendste Folge war jedoch wohl das Verhalten der chinesischen Behörden, die relativ rasch die chinesischen Medien eingeschaltet haben. Mitnichten hat man also das Eindringenkönnen einer Person in die für China historisch und politisch so wichtige Terrakotta-Armee des ersten Kaisers unter den Tisch fallen lassen, sondern im Gegenteil: Pablo Wendel wurde binnen kürzester Zeit als Medienstar herumgereicht. Die chinesischen Behörden haben es verstanden, das Interesse eines europäischen Künstlers für die Gründung ihres bis heute bestehenden Imperiums in ein positives Ereignis umzumünzen. So ist Pablo Wendels Kunstwerk „Terrakotta-Warrior“ und seine Rezeption ein wichtiges Zeugnis für das sich wandelnde Selbstbewusstsein Chinas zu Anfang des 21. Jahrhunderts.

 

Pablo Wendel's «Terracotta Warrior» unter unseren Altmeistern

Pablo Wendel’s «Terracotta Warrior» unter unseren Altmeistern

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Autor

Daniel Spanke

Seit 2012 ist Daniel Spanke Kurator für Ausstellungen am Kunstmuseum Bern. Davor war er unter anderem Leiter der Kunsthalle Wilhelmshaven, Kurator des Kunstmuseum Stuttgart und von 2010-2012 Leiter Museum Haus Dix in Hemmenhofen.

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