Publiziert am 3. Juli 2015 von Florence Lépine

Niklaus Manuel unter der Lupe (Teil 2)

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Ansicht des Altars Martyrium der zehntausend Ritter auf dem Berge Ararat im Restaurierungsatelier.

Vor einem Jahr hat das Konservierung- und Restaurierungsprojekt der Tafelbilder Niklaus Manuels (1484-1530) begonnen. Ziel dieses Projektes ist es, die Altartafeln des Berner Meisters, eine zentrale Werkgruppe der Sammlung des Kunstmuseum Bern, umfassend zu konservieren und zu restaurieren. Das Projekt steht im Zusammenhang mit den für das Jahr 2016 geplanten Manuel-Ausstellungen im Bernischen Historischen Museum und im Kunstmuseum Bern.

Für die genaue Untersuchung der Tafeln, die in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) und der Hochschule der Künste Bern durchgeführt wird, setzen wir naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden ein, die Aussagen zur Anfertigung der Tafeln und zur Maltechnik Manuels, sowie eine Überprüfung des Erhaltungszustandes der Tafelbilder erlauben.

Zur eingehenden Betrachtung der Tafeln kommen zum Beispiel strahlendiagnostische Methoden zum Einsatz, die ich am Beispiel des „Grandson Altars“ (1516/17) kurz erläutern will.

Grandson-Altar

Niklaus Manuel, Grandson Altar, 1516/17, 231 x 180 cm. Depositum der Gottfried Keller-Stiftung. Links: Bei geschlossenen Altarflügeln, also auf der Aussenseiten (Werktagsseiten), ist das Martyrium der zehntausend Ritter auf dem Berge Ararat dargestellt Rechts: Bei offenen Flügeln, also auf der Innenseiten (Festtagsseiten), sind Hl. Achatius (links) und Hl. Barbara (rechts) dargestellt. © P. Hitz, SIK-ISEA, Zürich

Unterschieden wird zwischen Oberflächen- und Tiefenuntersuchung: zu den Oberflächenuntersuchungen (Überprüfung der sichtbaren Gemäldeoberfläche) zählen die Betrachtung mit sichtbarem Licht unter verschiedenen Lichtverhältnissen (Auflicht und Streiflicht), die Makrountersuchung mittels Stereomikroskop, und die Untersuchung mit kurzwelligen (unsichtbaren) UV-Strahlen. Tiefenuntersuchungen befassen sich hingegen mit den nicht sichtbaren Erscheinungen in tiefer liegenden Schichten eines Gemäldes. Zu diesen zählen die Infrarot- sowie die Röntgenuntersuchung.

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Detail des rechten Flügels, Aussenseite: a. im normalen Licht ; b. im Streiflicht ; c. unter UV-Licht (Fluoreszenzaufnahme) ; d. Infrarotaufnahme (© P. Hitz, SIK-ISEA,)

Mit dem Streiflicht (parallel zur Bildoberfläche auftreffendes Licht) wird die Oberflächenstruktur hervorgehoben: die vertikal verlaufende Holzmaserung des Bildträgers (Fichte), sowie die durch Schwinden des Holzes aufstehenden Malschichtschollen, alte Kittungen und Retuschen treten hier deutlich hervor.

UV-Strahlen erzeugen in bestimmten Materialien eine entsprechende Fluoreszenz. Diese Eigenschaft kann zur Materialdifferenzierung bzw. Charakterisierung herangezogen werden. So können hier alte Retuschen sichtbar gemacht werden: die neueren, auf dem grün-fluoreszierenden gealterten Firnis, zeichnen sich als dunkle Flecken ab (gelbe Pfeile), während ältere, unter dem Firnis liegende Retuschen hell-bläulich fluoreszieren (rosa Pfeile).

Mit der langwelligen (unsichtbaren) Infrarotstrahlung (IR-Strahlung) lassen sich tiefer liegende Malschichten und vor allem die auf der Grundierung ausgeführte Unterzeichnung erfassen. Die dafür meist verwendeten kohlenstoffhaltigen Materialien wie Holzkohle oder Russ absorbieren die IR-Strahlung und werden dadurch in den Ergebnisbildern dunkel abgebildet. Manuel hat hier die Unterzeichnung mit dem Pinsel und einem flüssigem Mittel in kurzen und breiten Linien durchgeführt (grüne Pfeile). Ausserdem lassen sich mit IR-Strahlen tiefliegende Retuschen, Schäden und Fehlstellen sichtbar machen.

Detail des rechten Flügels, Aussenseite: a. im normalen Licht; b. Infrarotaufnahme  © P. Hitz, SIK-ISEA, Zürich

Detail des rechten Flügels, Aussenseite: a. im normalen Licht; b. Infrarotaufnahme
© P. Hitz, SIK-ISEA, Zürich

Mit Hilfe der Infrarotuntersuchung können Abweichungen der Malerei von der Unterzeichnung oder Pentimenti (Korrekturen während des Malprozesses)         nachgewiesen werden. Beispielweise wurde hier die Stellung der Beine eines Martyrers geändert (gelbe Pfeile), während andere Figuren malerisch nicht ausgeführt worden sind (orange Pfeile).

Die Röntgenuntersuchung gibt auch Aufschluss über Fertigung des Bildträgers (Brettfügung, Kaschierungen) und über Malschichtaufbau, sowie wichtige Informationen zum Erhaltungszustand des Gemäldes (Risse, Holzwurmbefall, Fehlstellen).

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Ausschnitt des linken Flügels, Innenseite. Oben: im normalen Licht; unten: Röntgenaufnahme © P. Hitz, SIK-ISEA, Zürich/ T. Becker, HKB, Bern

Je nach Schwächung (Absorption) der Röntgenstrahlen durch die durchleuchtete Materie (des Holzbildträgers, der Grundierung und der Farbschichten), wird auf dem Film ein „Strahlungsrelief“ abgebildet. So erscheinen zum Beispiel bemalte Partien, die schwermetallhaltige Pigmente enthalten (wie Bleiweiss in Inkarnaten), hell. Die in der Grundierung tief eingravierten Ranken des Goldgrundes, sowie die mit dem Zirkel eingeritzten Linien des Nimbus bilden sich hingegen dunkel ab. Zu beobachten ist auch hier der Leinwandstreifen, der vor dem Grundieren auf den Holzbildträger geklebt wurde (mit grünen Linien gekennzeichnet). Dieser diente als elastische Zwischenschicht, um Bewegungen des Holzes gegenüber den aufliegenden Schichten abzuschwächen und gleichzeitig die Grundierung während des Gravur-und Poliervorgangs des Goldgrundes zu schützen.

Unter Voranmeldung können Gruppen (bis max. 6 Personen) eine Führung durch das  Restaurierungsatelier buchen.

Veröffentlicht unter Allgemein, Experten am Werk
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Autor

Florence Lépine

Florence Lépine hat Kunstgeschichte (MA, Sorbonne, Paris) und Konservierung-Restaurierung (MA, Hochschule der Künste Bern, Vertiefungsrichtung Gemälde und Skuptur) studiert. Sie ist seit Juni 2014 mit dem Niklaus Manuel Restaurierungsprojekt im Kunstmuseum Bern betraut.

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