Publiziert am 24. Oktober 2013 von Markus Theunert

Gastbeitrag von Markus Theunert

Markus Theunert ist Gast am Podiumsgespräch «Stärken und Schwächen heutiger Männer», das am 29. Oktober 2013 bei uns im Kunstmuseum Bern stattfindet. Für unseren Blog äussert er sich schon etwas früher zum Thema.

«We solve the problem we don’t look at», sagte die Diversity-Verantwortliche eines globalen Konzerns an einem Workshop in Paris. Zwar würde massiv in Förderprogramme für talentierte Frauen investiert, aber aus unerfindlichen Gründen kämen die dann noch nie im Top Management an.

Tatsächlich: Die geschlechterpolitische Bestandesaufnahme zeigt, dass solche Ungereimtheiten durchaus charakteristisch sind. Das Verfassungsziel der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen wird zwar von niemandem ernsthaft bestritten. Aber gleichwohl geschehen Fortschritte nur im Zeitlupentempo. Es ist naheliegend, in dieser Situation mit dem Finger auf die Männer zu zeigen. Ihnen mangelnden Veränderungswillen vorzuwerfen. Ihre fehlende Bereitschaft zum Teilen wirtschaftlicher und politischer Macht anzukreiden. Das ist moralisch durchaus gerechtfertigt. Aber weder besonders schlau noch zielführend.

Saalaufnahme «Das schwache Geschlecht».

Saalaufnahme «Das schwache Geschlecht».

Die Geschlechterdebatte krankt im Kern am Paradigma, auf dem sie aufgebaut ist. «Gleichstellung» suggeriert, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht mehr ist als die Angleichung weiblicher Macht an die männliche Norm. Das klingt gut, bringt aber nicht das, was wir eigentlich wollen: Statt Emanzipation befördern wir so Imitation. Statt uns an die Neugestaltung der Geschlechterverhältnisse zu machen, inszenieren wir einen Geschlechterkampf, der in den alten Polaritäten stecken bleibt: Hier die Profiteure, da die Verliererinnen; hier die Täter, da die Opfer; hier die Starken, da die Schwachen. Und statt Männern Perspektiven aufzuzeigen, wie sie aus ihren eigenen Geschlechtsrollenkorsetten herausfinden könnten, erheben wir das männliche Leistungsdiktat plötzlich zur Tugend für alle. Ist es nicht gerade ein ziemlich gutes Zeichen, dass Männer Widerstand zeigen, wenn die männliche Norm zur menschlichen gemacht wird?

 

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Markus Theunert

Markus Theunert (1973) ist u.a. Präsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen und Autor des Sachbuchs Co-Feminismus (erschienen 2013 im Verlag Hans Huber). www.markustheunert.ch

Kommentare

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1 Kommentar

Walter Knoth
Sonntag, 10. November 2013, 08:40

Nach der Ausstellung fiel mir dieser Text ein:
Das schwache Geschlecht, eine Ausstellung.

„Das fängt gut an, dass das Geschlecht eine Ausstellung ist. Es trifft den Nerv der Sache,“ sagte Rainer.
„Wieso?“ tat Elke unschuldig und provozierte zugleich, wie das ihre Art war.
„Da ist üblicherweise ein Vorhang, hinter dem sich die Dinge vorgeführt werden, obwohl das natürlich nicht Vorführung genannt werden kann. Der wird hier beiseite gezogen.“
„Was für Dinge?“
„Dinge zu denen man sich äussert, im Sinne einer Ausstellung, und auch wieder nicht, weil sie bei der Äußerung eines Erkennungsmerkmals beschnitten werden.“
„Erkennungsmerkmal? Wie soll ich dir folgen?“
„Die Äusserung steht da, aber sie lässt keine Rückschlüsse auf den Urheber zu, weil man etwas weggenommen hat.“
„Feigling!“
„Ich lass das mal so stehen, es ist nicht wichtig,“ sagte Rainer, beinahe grossmütig. „Der besagte Vorhang schützt den Urheber der Äusserung- bis auf weiteres. Die Äusserungen, das Vorspielen, sie werden akzeptiert, aber sie haben keine Konsequenzen für den Urheber, weil man ihn nicht identifiziert.
Dass das so ist, wird weithin auch akzeptiert. Aber das Vertrackte ist, dass es im Endeffekt doch Konsequenzen für den Urheber hat, das heisst: Nicht was er geäussert hat, fällt auf ihn zurück – er steht ja verborgen hinter dem Vorhang – aber die Tatsache, dass es nicht auf ihn zurückfällt, lässt ihn ins Leere fallen. Er als „Äusserer“ hinter dem Vorhang ist eine Un-Persönlichkeit. Für ihn gilt in diesem Fall nicht das „actio = reactio“, seine Äusserung wirkt nicht auf ihn zurück.“
„Ist das so schlimm?“
„Wenn du in einem Gespräch bist, und deine Bemerkungen werden nicht beachtet, geschweige denn erwidert, wozu hast du sie dann gemacht? Da sie nicht bewertet werden, haben sie keinen Wert.“
„Das ist alles sehr theoretisch. Sag, um welche Art Äusserungen es sich handelt.“
„Es handelt sich um Äusserungen zum Geschlecht, um die persönliche Stellungnahme zum eigenen Geschlecht.“
„Und was macht der Vorhang dabei?“
„Lass die Wörter „persönliche“ und „eigenes“ weg, und du hast den Vorhang.
Und jetzt ist es vielleicht doch sinnvoll, von „Feigling“ zu sprechen. Es lässt sich ja nicht leugnen, dass man ein eigenes Geschlecht hat, und dass man davon eine eigene Anschauung oder Meinung hat. Aber traut man sich das offenzulegen?“
„Geht es denn andere etwas an?“
„Das ist eine von den Verteidigungsstrategien des Feiglings. Aber ist es eine kluge Strategie? Tatsache ist ja wohl auch, dass andere ihre Anschauung davon haben, wie du zu deinem Geschlecht stehst, aber bist du dir dessen bewusst?“
„Die Gedanken sind doch frei!“
„Das sind sie, und springen herum wie junge Pferde!
Vielleicht sollte man aber auch im Auge behalten, welche kräftige Rolle das Geschlecht im Umgang der Menschen miteinander spielt – und das nicht erst seit Freud, Jung und Konsorten. Wenn auf diesem Gebiet die eigenen Anschauung und die Fremdanschauung auseinander driften, und sich beim Driften zu Klischees verhärten, die den Beziehungen der Menschen als Zaum angelegt werden – dann sollte man sich überlegen, was alles in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Damit hat man eine Weile zu tun.“
„Wie soll man das denn anpacken?“
„Es gibt keine Allgemeinrezepte. Vielleicht könnte man mit ein paar Fragen beginnen:
Wie detailreich ist deine Anschauung zu deinem Geschlecht?
In welchem Verhältnis wirken in dir weibliche und männliche Aspekte? (Oder gibt es nur einen davon?)
Wie interessiert bist du am geschlechtlichen Wesen anderer Menschen, und welcher?“
„Sag mal, warum kommst du überhaupt mit diesem Trommelfeuer an Fragen auf mich zu?“
„Weil ich in der Ausstellung war, die heisst „ Das schwache Geschlecht“.
„Die kann nicht so gut gewesen sein, wenn du mich das jetzt alles fragen musst.“
„Im Gegenteil, sie hat zu solchen Fragen angeregt. Es wurden Menschen und ihre Arbeiten gezeigt, die mit dem Aufbrechen der genanten Klischees beschäftigt sind.
Dabei lag der Schwerpunkt auf den Klischees vom Mann.
Die wurden und werden einerseits von der männlichen Seite gern konserviert, weil sie oft als Schutzpanzer irgendeiner Art für den Mann zu taugen scheinen Andererseits werden sie von den Frauen, wie es scheint, widersprüchlich gehandhabt , sei es als Unterwürfigkeit, sei es als Ziel des Spottes.
Überlagert ist verkomplizierend die Tatsache, dass durch den gemischten Gehalt von männlichen und weiblichen Färbungen der Menchen sowohl Männer wie Frauen von den Klischeeanwendungen des anderen Geschlechts Gebrauch machen können.
Das brachte die Ausstellung zum Ausdruck, und wurde dadurch sehr komplex, auch wenn einzelne Aspekte nur angedeutet werden konnten.“
„Du meinst also, ich sollte mir das ansehen.“
„Da kannst du zwischen zwei Leidensdrucken wählen:
Entweder dem Selbstvorwurf, einem interessanten Angebot ausgewichen zu sein,
oder der Mühe, mit den Eindrücken fertig zu werden.“
Freundliche Grüsse W.K.