Gastbeitrag von Markus Theunert
Markus Theunert ist Gast am Podiumsgespräch «Stärken und Schwächen heutiger Männer», das am 29. Oktober 2013 bei uns im Kunstmuseum Bern stattfindet. Für unseren Blog äussert er sich schon etwas früher zum Thema.
«We solve the problem we don’t look at», sagte die Diversity-Verantwortliche eines globalen Konzerns an einem Workshop in Paris. Zwar würde massiv in Förderprogramme für talentierte Frauen investiert, aber aus unerfindlichen Gründen kämen die dann noch nie im Top Management an.
Tatsächlich: Die geschlechterpolitische Bestandesaufnahme zeigt, dass solche Ungereimtheiten durchaus charakteristisch sind. Das Verfassungsziel der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen wird zwar von niemandem ernsthaft bestritten. Aber gleichwohl geschehen Fortschritte nur im Zeitlupentempo. Es ist naheliegend, in dieser Situation mit dem Finger auf die Männer zu zeigen. Ihnen mangelnden Veränderungswillen vorzuwerfen. Ihre fehlende Bereitschaft zum Teilen wirtschaftlicher und politischer Macht anzukreiden. Das ist moralisch durchaus gerechtfertigt. Aber weder besonders schlau noch zielführend.
Die Geschlechterdebatte krankt im Kern am Paradigma, auf dem sie aufgebaut ist. «Gleichstellung» suggeriert, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht mehr ist als die Angleichung weiblicher Macht an die männliche Norm. Das klingt gut, bringt aber nicht das, was wir eigentlich wollen: Statt Emanzipation befördern wir so Imitation. Statt uns an die Neugestaltung der Geschlechterverhältnisse zu machen, inszenieren wir einen Geschlechterkampf, der in den alten Polaritäten stecken bleibt: Hier die Profiteure, da die Verliererinnen; hier die Täter, da die Opfer; hier die Starken, da die Schwachen. Und statt Männern Perspektiven aufzuzeigen, wie sie aus ihren eigenen Geschlechtsrollenkorsetten herausfinden könnten, erheben wir das männliche Leistungsdiktat plötzlich zur Tugend für alle. Ist es nicht gerade ein ziemlich gutes Zeichen, dass Männer Widerstand zeigen, wenn die männliche Norm zur menschlichen gemacht wird?
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