Publiziert am 27. Dezember 2013 von Peter Fischer

Happy New Year KMB & ZPK

Wenn dieser Text aufgeschaltet ist, wird man schon wissen, was bereits vor zwei Wochen angekündigt wurde, weshalb ich dem Kunstmuseum zum Zeitpunkt meiner Textverfassung ex ante zu seinen hunderttausend Besucherinnen und Besuchern im Jahr 2013 gratuliere. Ich weiss, welche Leistung dahinter steht, ist dies doch auch für mich und das Zentrum Paul Klee eine magische Marke – und gleichwohl messe ich diesen nackten Zahlen nur eine beschränkte Aussagekraft bei, denn so manch eine relevante Grösse kann damit nicht erfasst werden, etwa die Qualität des einzelnen Museumsbesuchs, die Anregung die unsere Arbeit bei Kunstschaffenden hinterlässt oder einfach irgendeiner dieser zahlreichen Schmetterlingseffekte, die die Kunst auszulösen vermag.

Aber wir brauchen uns an diesem Ort hier wohl nicht für unsere kulturelle Arbeit zu legitimieren und sowieso möchte ich meinen Blick lieber auf Kommendes als Vergangenes lenken. Da ich hier Gastrecht beim Kunstmuseum geniesse und unsere Schicksale schon sehr bald sehr eng verknüpft sein werden, habe ich mit Interesse die Ausstellungsprogramme 2014 des Kunstmuseums und des Zentrum Paul Klee studiert und mit einiger Erleichterung festgestellt, dass die angesichts der beschlossenen engen Zusammenarbeit möglicherweise bürokratisch anmutenden neuen Koordinationsstrukturen und gemeinsamen Ausschüsse zwar nicht gleich hinfällig sind, aber doch wohl eher dem Feinschliff als dem Ringen nach der Grobform, um einen Begriff aus der Sportdidaktik zu bemühen, zu dienen haben.

August Macke, Kairouan III, 1914, LWL-Museum für Kunst und Kultur. Westfälisches Landesmuseum, Münster.

August Macke, Kairouan III, 1914, LWL-Museum für Kunst und Kultur. Westfälisches Landesmuseum, Münster.

Legt man nämlich unsere Ausstellungsprogramme 2014 übereinander, ergibt sich ein überaus dichtes, vielfältiges und vor allem ausgewogenes Kunstvermittlungsangebot. Die im Prozess der Annäherung von Kunstmuseum und Zentrum Paul Klee viel beschworene sogenannte „Stärkung des Kunstplatzes Bern“ kann 2014 hinsichtlich der Inhalte durchaus bereits Realität werden. Sicherlich werden wir in den kommenden Jahren unter dem Motto „weniger ist mehr“ statt des Dutzend Ausstellungen im Kunstmuseum und den fünf bis sechs im ZPK auf ein paar Projekte verzichten und die frei werdenden Mittel gezielt in die verbleibenden Ausstellungen investieren, grundsätzlich zeigt sich an den Programmen 2014 aber deutlich, dass der Mix der KMB- und der ZPK-Schwerpunkte sich optimal ergänzt. So konzentriert sich das KMB 2014 auf die Schweizer Kunst von Grimm über die Klassiker aus Bruno Stefaninis Sammlung „Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte“ und Augusto Giacometti bis zu Markus Raetz. Die vier Beispiele zeigen auf, wie profiliert das KMB in der Schweizer Kunst- und Museumsszene wichtige Themen für sich zu reklamieren vermag, verfügt es doch in der Sammlung über hervorragende Bestände in den entsprechenden Kontexten und auch über die entsprechende Fachkompetenz.

Ausgehend vom Werk von Paul Klee präsentiert sich das Programm des ZPK in einem ausgesprochen internationalen Kontext („Klee & Bern“ wird dann im ZPK-Jubiläumsjahr 2015 explizit thematisiert werden). Mit der berühmten Tunisreise von Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet werden wir nicht nur eines der meist gepriesenen Kapitel der Kunst der Moderne anhand der raren Originale darbieten, sondern mit seinen Tunis-Aquarellen zugleich die zum Entstehungszeitpunkt noch ungeahnte blühende Vollendung des Werks des im September 1914 an der Front in Frankreich gefallenen August Macke präsentieren. Die zweite neue Ausstellung des Jahres zeigt mit Klee, Tobey, Michaux, Twombly, Marden, Lasker, Jenssen und Wool Verwandte im Geiste, und zwar hinsichtlich einer Abstraktion, die sich als Linie aus dem Zeichenhaften und der Schrift bis hin zur Kalligrafie entwickelt; „Taking a Line for a Walk“ – eine Reise durch die letzten hundert Jahre der Kunst und als Ausstellungserlebnis eine Begegnung mit feingliedrigen Zeichnungen bis hin zu monumentalen, überwältigenden Gemälden. Es gibt übrigens ein Wiedersehen mit Brice Mardens 1993 frisch vollendeten und in der Kunsthalle Bern erstmals gezeigtem Grossgemälde „The Muses“, mittlerweile einem Schlüsselwerk des Künstlers.  Klees eigenem Klassifizierungssystem ist dann im Herbst die Ausstellung „Sonderklasse – unverkäuflich“ gewidmet, ein Phänomen, das in den Zeiten von Jeff Koons, Damien Hirst und Konsorten nicht aktueller sein könnte. Der britische Künstler Antony Gormley wird ab September das Spannungsverhältnis zwischen mathematischen und organischen Strukturen, das bereits Klee fasziniert hatte, aus Sicht der Gegenwart vermitteln und mit seiner monumentalen Installation im Maurice E. Müller-Saal zugleich Renzo Pianos unkonventionelle Museumsarchitektur herausfordern.

Brice Marden, The Muses, 1991–1993, Daros Collection.

Brice Marden, The Muses, 1991–1993, Daros Collection.

Das verabschiedete Leitbild, welches der Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum Paul Klee und dem Kunstmuseum einen Rahmen gibt, räumt der Gegenwartskunst eine besondere Rolle ein. In Bern kommt ja das (Un-)Wort vom „Überangebot“ immer wieder auf – bevorzugt hinsichtlich der Musik, aber nicht nur. Das Zentrum Paul Klee wird intern wie extern kritisch beäugt wegen seinen Aktivitäten  im Bereich der Gegenwartskunst. In Bern sind diesbezüglich zahlreiche private wie öffentliche Galerien, die Kunsthalle, das Kunstmuseum und eben das ZPK aktiv. Ich persönlich bin der Meinung, dass es für die lokalen und regionalen Kunstschaffenden nicht genügend Plattformen geben kann. Bleiben die Kunstschaffenden mit nationaler und internationaler Resonanz. Dass es in der Landeshauptstadt Bern mehrere Institutionen gibt, die sich diesem Feld widmen, scheint mir alles andere als vermessen zu sein, umso weniger mit Blick auf die Konkurrenzstädte Genf, Lausanne, Basel und Zürich. Mit der Politik, Mainstream um jeden Preis zu vermeiden, positioniert sich die Berner Kunsthalle zum Vornherein „hors concurrence“. Insofern präsentiert das künftige Gespann ZPK/KMB mit Bill Viola, Sun Yuan & Peng Yu und Antony Gormley 2014 nebst anderen drei herausragende Exponenten der Gegenwartskunst.  Und die entsprechenden Ausstellungen sind allesamt keine willkürlichen Setzungen, sondern in hohem Masse kontextualisiert: Bill Viola mit seinen Werken in der Sammlung des KMB und dem passenden spirituellen Umfeld des Münsters, Sun Yuan & Peng Yu im Rahmen des China-Fensters des KMB und Antony Gormley mit einem Projekt, das direkt auf die Architektur des ZPK von Renzo Piano Bezug nimmt und mit Paul Klees künstlerischen Grundsätzen in Verbindung steht. Ich kenne alle diese Künstler aus eigener Erfahrung – Viola und Gormley von Projekten im Kunstmuseum Luzern und Sun Yuan & Peng Yu von ihrem Gefallenen Engel als Beitrag zur Engel-Ausstellung im ZPK 2012-13 her. Ich weiss deshalb, dass damit drei ganz unterschiedliche Positionen der Gegenwartskunst in Bern zu erleben sein werden, und zwar in einer Intensität, die man nicht so schnell sonst irgendwo zu sehen bekommt. Nehmen wir dann nebst den „Cracks“ Viola und Gormley – beide übrigens Preisträger des renommierten Praemium Imperiale – die „Klassiker“ von Mark Tobey und Henri Michaux über Cy Twombly bis Brice Marden der Ausstellung „Taking a Line for a Walk“ im ZPK oder die walisische Künstlerin Bethan Huws, die im Herbst mit ihrem Duchamp-Projekt im KMB zu Gast sein wird, sowie all die Projekte der anderen Kunstvermittlungsorte in Bern nebst dem KMB und dem ZPK, so sollte Bern in der Schweizer und europäischen Kunstlandschaft 2014 definitiv eine fette Markierung hinterlassen.

Insofern wünsche ich dem Kunstmuseum, dem Zentrum Paul Klee, allen Berner Kulturinstitutionen, ja GANZ BERN ein intensives, herausforderndes, kunstvolles Jahr 2014; auf dass die Kunst Spuren hinterlasse und Spuren lege.

Veröffentlicht unter Gastbeitrag
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Peter Fischer

Peter Fischer ist seit November 2011 Direktor des Zentrum Paul Klee. Zuvor war er während 10 Jahren Direktor des Kunstmuseum Luzern. Sein Interesse ist breit gefächert, sodass er sich nebst der bildenden Kunst von Klee (ja eigentlich von der Urzeit) bis zur Gegenwart auch der Musik und Literatur sowie insbesondere der Vermittlung von spartenübergreifenden künstlerischen Ausdrucksformen widmet.

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