Publiziert am 4. September 2015 von Magdalena Schindler, Maria-Teresa Cano

EIN WIR-GEFÜHL KREIEREN

Interview mit Jürg Bucher, neuer Präsident der Dachstiftung von Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee

Der 68-jährige ehemalige Postchef und Postfinance-CEO Jürg Bucher präsidiert seit dem 1. Juli die neu gegründete Dachstiftung von Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee. Im Gespräch äussert er sich zur Zusammenarbeit der beiden Museen, zu seinem Führungsstil und seinem Verhältnis zur Kunst. 

Herr Bucher, worin unterscheidet sich Ihre Aufgabe für die Dachstiftung der zwei Museen von den Jobs, die Sie bisher gemacht haben?

Ich sehe keine grundlegenden Unterschiede zwischen dieser neuen und jeder anderen Führungsaufgabe. Wichtig ist mir, erst einmal zuzuhören und Lösungen im Team zu entwickeln. Wenn dann alle Argumente auf dem Tisch liegen, geht es darum, rasch zu entscheiden, zügig umzusetzen und transparent zu kommunizieren. Entsprechend dieser Grundsätze hat der Stiftungsrat angefangen zu arbeiten und so stelle ich mir vor, gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Führen heisst für mich, mit Leuten umzugehen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und sie auf ein gemeinsames Ziel hinzuführen – ob dies nun Kulturschaffende, Banker oder Logistiker sind, wie ich sie bei der Post hatte.

Welche Visionen haben Sie für den Kunstplatz Bern und im Speziellen für das Kunstmuseum Bern und das Zentrum Paul Klee?

Da bin ich im Moment noch zurückhaltend, denn eine Vision entsteht aus gemeinsamer Arbeit und diese haben wir erst begonnen. Zwei Dinge jedoch sind wichtig: Zum einen wird es darum gehen, die künstlerischen und die wirtschaftlichen Ansprüche in Balance zu halten. Da gibt es kein Entweder-Oder. Das Zweite ist, die beiden Häuser mit ihrer je unterschiedlichen Geschichte und Identität als starke Marken in die Zukunft zu führen.

Jürg Bucher in seinem Büro am Hauptsitz der Valiant Bank Bern vor einem Hinterglasfoto aus der Serie «Oculus Dei» (2010) von Marialuisa Tadei. Foto: Monika Flückiger

Wie nehmen Sie die beiden Institutionen derzeit wahr?

Beide sind sehr gut positioniert und stark geprägt von ihren Sammlungen. Das Kunstmuseum ist ein führendes Haus in Sachen Schweizer Kunst, das Zentrum Paul Klee ist das Kompetenzzentrum für Klee. Hinzu kommen beim Kunstmuseum Ausstellungen und Bestände zur klassischen Moderne oder zur Gegenwartskunst, während das ZPK ein Kulturzentrum ist, in dem auch Musik und Literatur vermittelt wird – und im Schöngrün auch kulinarisch etwas geboten wird. Das heisst: Die beiden Häuser haben je ihre Qualitäten.

Welche Ausstellungen oder Werke sind Ihnen im Zentrum Paul Klee oder im Kunstmuseum besonders aufgefallen oder in Erinnerung geblieben?

Beim Kunstmuseum denke ich zum Beispiel an die Ausstellung zum 100. Todestag von Albert Anker 2010, die ergänzt wurde um Videoarbeiten von Chantal Michel. Die Kombination von Ankers Werken mit diesen Stillleben fand ich absolut faszinierend. Da bin ich in näheren Kontakt mit Chantal Michels Kunst gekommen. Ich kenne die Berner Künstlerin inzwischen persönlich und habe auch Bilder von ihr zu Hause. Und im ZPK begeistert mich natürlich alles, was mit Paul Klee in Zusammenhang steht. Ich habe gestaunt, als ich kürzlich in die Tiefen dieses Museums geführt wurde.

Nebst dem Inhaltlichen wird es bei künftigen strategischen Entscheidungen für die neue Holding um die Finanzierung der beiden subventionierten Häuser gehen. Wie könnte Ihre Strategie aussehen?

Es geht wie gesagt darum, die Balance zu finden zwischen der Weiterentwicklung des Künstlerischen und den Ansprüchen an die Wirtschaftlichkeit. Ich bin als Manager jemand, der Kosten und Ertrag anschaut und nie nur die Kosten. Ich gestalte gern, bin also nicht einfach der Sanierertyp. Aber wenn die beiden Häuser jetzt in einer Holding zusammengeschlossen sind, dann müssen wir darüber diskutieren, welche Aufgaben wir gemeinsam besser – und eigentlich auch günstiger – machen können. Das wird eine Herausforderung werden. Auf der anderen Seite soll es auch darum gehen, dass man beide Museen für Besucher noch attraktiver macht, damit noch mehr Leute kommen – und die Einnahmen steigen.

Das ZPK ist ein monothematisches Museum, was Vor- und Nachteile hat. Wie stehen Sie zur Öffnung des Hauses in Richtung zeitgenössische Kunst?

Zum einen setzen die Statuten des Zentrum Paul Klee dem gewisse Grenzen. Das darf man nicht ausser Acht lassen. Trotzdem denke ich, dass es Entwicklungsmöglichkeiten gibt, gerade auch ausgehend von dem sehr breiten Wirken von Paul Klee. Vielleicht ermöglicht ja jetzt die Zusammenarbeit zwischen dem Kunstmuseum und dem Zentrum Paul Klee den Brückenschlag zwischen Klee und Gegenwart.

In welcher Form sollen Ihrer Ansicht nach das Zentrum Paul Klee und das Kunstmuseum zusammenarbeiten?

Im Künstlerischen geht es sicher darum, dass man die eine oder andere Ausstellung zusammen macht und die Kompetenzen, die in beiden Häusern vorhanden sind, optimal nutzt. Zum Beispiel, dass eine Ausstellung präsentiert wird, für die man am einen Tag ins Kunstmuseum geht und am anderen ins Zentrum Paul Klee. Die für das nächste Jahr geplante China-Ausstellung ist da ein gutes Beispiel und ein Leuchtturmprojekt für den neuen Kunstplatz Bern. Auch fände ich einen Shuttlebus gut, eine Art «Kunststadt Bern»-Bus. Eine andere wichtige Sache in der Zusammenarbeit betrifft den Leihverkehr der Bilder, das ist ein wichtiges Thema, das uns auch aus wirtschaftlicher Sicht immer mehr beschäftigen wird. Wir möchten die Stärken beider Sammlungen auf dem nationalen und internationalen Leih-Markt einbringen. Das Dritte schliesslich wäre die Kunstvermittlung. Da wird schon sehr viel getan und es bleibt zu schauen, welche Möglichkeiten es für ein gemeinsames Angebot für alle Schichten der Bevölkerung gibt. Aus meiner Sicht ist Kunst etwas, das für alle zugänglich sein sollte. Ich wünsche mir, dass die Bernerinnen und Berner nicht nur in der Postfinance-Arena sitzen, sondern auch in Scharen ins Kunstmuseum und ins Zentrum Paul Klee strömen.

Dabei spielen aber die Eintrittspreise auch eine Rolle. Es gibt ja die Initiative «Gratis ins Museum», welche die Stadt Bern vor zwei Jahren ergriffen hat und die es – inzwischen zweimal – ermöglichte, dass die Bevölkerung an vier Samstagen im August gratis in die Berner Museen konnte. Für nächstes Jahr steht die Durchführung dieses Anlasses wieder zur Diskussion.

Das ist hervorragend. Wichtig scheint mir, dass solche Massnahmen nicht kuzfristig und einmalig, sondern längerfristig und nachhaltig gesehen werden. So setzt man die Hürden, ins Museum zu gehen, massiv herab, und – wer weiss – ein paar Wochen oder Monate später kommen die Besucher dann wieder.

Das Kunstmuseum Bern hat die Sammlung Gurlitt als Erbschaft angenommen, unklar ist jedoch, ob und wann die Kunstwerke nach Bern kommen. Wie schätzen Sie den Entscheid und die Situation ein?

Den Entscheid, den der Stifungsrat des Kunstmuseums getroffen hat, finde ich gut, er ist mutig. Er bringt dem Kunstmuseum und dem Kunstplatz Bern sicher einen sehr grossen Mehrwert. Es ist einerseits eine riesige Chance für die Sammlung mit dem riesigen Bilderfundus, andererseits ist es natürlich auch eine grosse Herausforderung im kulturpolitischen Kontext. Dementsprechend wird man sich professionell aufstellen müssen, um die hohen Erwartungen, die national und international im Raum stehen, zu erfüllen. Es wurde ausgezeichnete Vorarbeit geleistet, aber jetzt geht es natürlich erst einmal darum, die Gerichtsverfahren abzuwarten. Wir wissen nicht, ob und wann die Rechtmässigkeit des Erbes bestätigt wird, jedoch können wir jetzt schon die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wenn der – hoffentlich positive – Entscheid fällt, die Aufarbeitung der Sammlung gescheit und rasch erfolgen kann.

Welche Werte möchten Sie als neuer «Kulturkapitän» den Gremien und Menschen, denen Sie vorstehen, vermitteln?

Das ist ganz einfach. Es geht darum, dass wir möglichst rasch ein WIR-Gefühl kreieren können. Im Stiftungsrat ist das bereits gestartet, dadurch dass Vertreterinnen und Vertreter aus beiden Häusern dort Einsitz nehmen. Aufgabe wird sein, den Stiftungsrat zu einem Team zu formen, in dem man rasch von WIR reden wird. Dies muss sich bis in die operative Führung weiterziehen. Wie die operative Führung dann aussieht, werden wir bis spätestens anfangs 2016 wissen. Dann können wir erstens überlegen, wie die Strategie konkret aussieht für die beiden Häuser, zusammen und einzeln, zweitens wie sich das auf die Organisation und Führung auswirkt. Dies anzugehen ist mein Ziel im kommenden halben Jahr.

Foto: Monika Flückiger

Sie bezeichnen sich als Kunstliebhaber. Für welche Kunst können Sie sich begeistern?

Es sind vor allem zwei Sachen, die mich faszinieren. Zum einen ist das die Gegenwartskunst, weil ich es sehr spannend finde, wie Künstler unsere Welt sehen. Zum andern ist das der Impressionismus. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich ein sehr naturverbundener Mensch bin. Ich bin ein Dillettant, der die Kunst liebt, und ich masse mir auch nichts Anderes an. Ich habe Freude an schönen Bildern, wie hier in meinem Büro am Hauptsitz der Valiant, da hängen Bilder, die ich selber ausgewählt habe.

Gerade die Gegenwartskunst ist ja nicht immer so leicht an ein breites Publikum zu vermitteln. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, es ist für diejenigen Menschen schwierig, die sich nicht die Mühe nehmen , sich mit dem einen oder anderen Thema auseinanderzusetzen und Fragen zu stellen. Ich persönlich finde es spannend, wenn man von Künstlern, die hier und jetzt arbeiten, mal das Atelier sieht oder in einer Ausstellung fragen kann: Wie sind Sie jetzt auf so etwas gekommen oder was soll das überhaupt? Auch Kunst am Bau ist etwas, was mich fasziniert. Das gibt Auseinandersetzungen, das gibt Gespräche. Ich denke jetzt an Projekte, in die ich bei meiner Tätigkeit bei der Post involviert war. Die Post hat eine Kunstsammlung, die Gegenwartskunst vor allem von Schweizer Künstlern umfasst. Ich erinnere mich an eine Präsentation von Bildern im damaligen Haupsitz der Postfinance, die riesige Diskussionen ausgelöst hat unter den Mitarbeitern.Wir haben zwar das eine oder andere Bild aufgrund der Kritiken rausgenommen, doch die Diskussionen waren an und für sich super.

Sie nehmen viele Ämter wahr und sind rund um die Uhr beschäftigt. Gibt es Momente, in denen Sie auftanken können?

Ich geniesse seit zweieinhalb Jahren, dass ich viel weniger arbeite. Als ich operativer Verantwortlicher war, gehörten 60 bis 70 Stunden pro Woche zum Alltag. Heute habe ich mehr Ferien und frei verfügbare Zeit und das geniesse ich. Da treibe ich wieder mehr Sport, nicht mehr leistungsorientiert wie in jungen Jahren. Ich bin ein absoluter Bewegungsmensch, mache OL, gehe biken, bin im Winter mit den Langlauf-oder Alpinskis unterwegs. Ich bin jemand, der die Abwechslung und den Ausgleich braucht. Ich besuche ganz ruhig eine Ausstellung oder ein Konzert und treibe gleichentags Sport.

 

Interview: Maria Teresa Cano und Magdalena Schindler

(Vollständige Version des Interviews aus: KunstEINSICHTBern Nr. 7, das gemeinsame Magazin von Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee)

Veröffentlicht unter Allgemein, Blick hinter die Kulissen
Schlagwörter: , , ,

Autor

Magdalena Schindler, Maria-Teresa Cano

Magdalena Schindler ist Kunsthistorikerin und arbeitet als Kunstvermittlerin am Kunstmuseum Bern. Maria-Teresa Cano leitet am Zentrum Paul Klee die Abteilung Kommunikation und Kunstvermittlung und ist beauftragt, die External Relations des ZPK zu pflegen und auszubauen. Die beiden sind zusammen mit Maria Horst (ZPK) verantwortlich für die Redaktion des Magazins KunstEINSICHTBern.

Kommentare

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Bitte füllen Sie alle Felder aus.

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.

Keine Kommentare