Ein Vorwand, um nackte Männer zu zeigen?
Könnte diese Ausstellung sein. Das – so kam mir zu Ohren – wird offenbar in gewissen Kreisen gemutmasst. Weshalb auch nicht, zumal wir eine Überdosis an (halb-)nackten Frauen im öffentlichen Raum bereits zur Genüge kennen. Warten wir nur ab, bis die Weihnachts-Dessous-Werbekampagne von H&M wieder unsere Plakatwände ziert …
Doch wären nackte Männer überhaupt nichts Kunstfremdes. In der Aktmalerei waren sie gang und gäbe. Denn erst ab dem frühen 20. Jahrhundert wurden Frauen als Aktmodelle in Akademien zugelassen. Seither hat sich der Blick der Kunstgeschichte (und der Filmindustrie und Werbung) allerdings fast nur noch auf weibliche Körper konzentriert. Wie in diesem Blog bereits besprochen haben bereits zwei Ausstellungen in Österreich dieses Thema aufgegriffen und uns zur Erkenntnis gebracht, dass Männer häufig nackt dargestellt wurden. Sei es, weil sie damit ihre existenzielle Fragilität zum Ausdruck bringen wollten, ihre ideale Verkörperung menschlicher Tugenden oder ihre physische Dominanz als edler Held.
Die nackten Männer, die Ihr bei uns zu sehen bekommt, stammen entweder von Selbstbildnissen von Künstlern oder von Künstlerinnen, welche den männlichen Körper als neues Lustobjekt entdeckt haben und ihm nun voyeuristisch frönen. Damit kehren sie eine bisher gängige Machtsituation um. Bisher galt: männlicher Künstler, männliches Publikum und weibliches Schauobjekt. Frauenkörper waren Projektionsflächen für abstrakte Eigenschaften als Verkörperung von Allegorien. Sie dienten aber auch als Tummelfeld für erotische und gewalttätige Fantasien – man denke nur daran, was die Surrealisten alles mit Frauen- oder Puppenkörpern anstellten. Erst die „bad girls“ der Kunst der 1990er Jahre, wie Sam Taylor-Wood (heute: Sam Taylor-Johnson), Tracey Moffatt oder Elke Silvia Krystufek haben mit Gusto die Macht- und Darstellungsverhältnisse auf den Kopf gestellt. Von ihnen dreien zeigen wir Werke in der Ausstellung. Dabei gehört Elke Silvia Krystufek zu denjenigen Künstlerinnen, welche diese Blick- und Machtumkehr am umfassendsten in ihren Gemälden reflektiert. Sie schreibt ihre Gedanken dazu nämlich gleich ins Bild hinein. So fragt sie sich beispielsweise, ob „weibliche“ Malerei eher ein weibliches Publikum anspreche? Oder ob sie, wenn sie als Kuratorin mit Künstlern arbeitet, auch mit allen ins Bett gehen müsse? – Aus meiner Erfahrung: nein. – Sie bringt die Rahmenbedingungen der Kunst zur Sprache, wenn sie in den Bildern beschreibt, wie sie von ihrem ehemaligen Galeristen über den Tisch gezogen wurde und bettet ihre Kunst damit in einen weiteren Gender-Diskussionsrahmen ein.
Ganz erfrischend direkt ist jedoch der Beitrag der österreichischen Künstlergruppe Gelitin (Wolfgang Gantner, Ali Janka, Florian Reither und Tobias Urban) in unserer Ausstellung. Diese haben sich während ihres Urlaubs (im Jahre 2000) jeweils halbnackt mit erigiertem Penis in der Landschaft porträtiert. Damit zeigen sie, dass nach der feministischen Debatte der 1980er Jahre, in denen der Penis als Waffe verschrien wurde, ein neuer Umgang mit „des Mannes bestem Stück“ möglich wurde. (Und dieser Umstand war der ZEIT immerhin ein Sonderbeitrag wert). Gleichzeitig relativieren sie die Bedeutung ihres „Gemächs“, indem es lächerlich klein neben den Naturschönheiten Amerikas und der Schweiz erscheint. Ihr seht also, wir wollen allen Facetten des Mannseins in unserer Ausstellung Raum geben. Nacktheit ist allerdings nur eine davon.
Veröffentlicht unter Blick hinter die Kulissen
Schlagwörter: Das schwache Geschlecht, nackt, Zeitgenössische Kunst