Publiziert am 17. Juni 2013 von Matthias Frehner

Der Kiel des Museums

Vom Eisberg sieht man bloss die Spitze. Neunzig Prozent seiner Masse liegen unter der Wasseroberfläche. Der nichtsichtbare Teil des Eisbergs heisst Kiel. Museen sind keine Eisberge. Sie treiben nicht auf den Wellen. Sie sind in urbanen Räumen fest verankerte Orientierungspunkte wie Kathedralen und Regierungsgebäude. Und doch sind wir, das Kunstmuseum Bern, in gewissem Sinn ebenfalls ein Eisberg. Denn auch von uns sieht man als Besucherin und Besucher höchstens zehn Prozent unserer Masse Kunst. Der überwältigende Rest liegt in grossen unterirdischen Magazinen.

In unserem Blog wollen wir uns vor allem mit unserem Kiel befassen und Einblick geben in die ungemeine Vielfalt unserer unterirdischen Schatzkammern, in deren Kammern und Gängen der Grossteil unserer Crew als Restauratorinnen und Techniker, Registrarinnen und Kuratorinnen und wissenschaftliche Mitarbeiter tätig ist.

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Blick hinter die Kulissen: Hängung unserer Scullys.

Wir wollen aber nicht bloss Monologe halten, sondern mit Euch einen aktiven Austausch pflegen, Fragen beantworten, Debatten starten, die die Öffentlichkeit über die Kunst und ihre Aufgabe in der Gesellschaft sensibilisieren. Wir wollen Euch als Leserinnen und Leser auch an der Zusammenarbeit zwischen Kunstschaffenden und dem Kunstmuseum Bern teilhaben lassen.

Ein wunderbares Beispiel eines solch Zusammenspiels konnten wir mit dem irisch-amerikanischen Künstler Sean Scully erleben. Von Anfang an waren wir mit Sean Scully in einem persönlichen Kontakt, er kam mehrmals nach Bern, um unseren Freundinnen und Freunden seine Kunst zu erläutern. Diese unvergesslichen Höhepunkte haben zur bisher vollständigsten Retrospektive Sean Scully geführt, die wir vor einem Jahr in unserem Museum zeigen konnten. Dank Gaben von Mäzeninnen und Mäzenen war es uns möglich das Hauptwerk „Grey Wolf“ zu erwerben. Und der Künstler war so von der Ausstellung und der Zusammenarbeit begeistert, dass er uns zwei weitere Gemälde und mehrere Fotoarbeiten schenkte – sowie auch einen richtigen kleinen Wolf, den er als Readymade unter dem grauen Wolf platzierte. Die drei monumentalen Gemälde und eine Fotoarbeit von Sean Scully, die die vielleicht schönste und eindrücklichste Werkgruppe in einem europäischen Museum darstellen, sind momentan bei uns zu sehen.

Wer an der Art Basel war, dem ging es vielleicht ähnlich wie mir. Es gab sehr viele gute bis sehr gute Qualität, die Kunstszene arbeitet professionell auf sehr hohem Level für den Markt. Man spürt eine Konzentration auf das, was gut sammelbar ist, auf Gemälde und Plastiken. Die Fotografie befindet sich auf dieser Messe im Rückzug, ebenso Video und alles Exotische. Und von den Chinesen sind nur noch ganz wenige übrig, die sehr teuer sind. Alles solide, vielleicht ein wenig zu geschliffen, zu konventionell, zu wenig mutig. Richtig überwältigt war ich nur zwei Mal, vor einem Annette-Porträt Alberto Giacomettis und dem einfach umwerfenden neuen Grossformat Sean Scullys in der Art Unlimited.

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Scullys Atelier – bis auf die kleine Wolfsfigur, die haben wir nachträglich hineinmontiert. Das beantwortet die Frage, die wir auf Facebook gestellt haben.

Zum Schluss noch Antwort auf die Frage, die wir auf Facebook gestellt haben: die kleine Wolfsfigur befindet sich zwar zur Zeit bei uns unter dem Grey Wolf, in das Foto von meinem Besuch in Scullys Atelier haben wir ihn jedoch nachträglich hineinmontiert.

Veröffentlicht unter Blick hinter die Kulissen
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Autor

Matthias Frehner

Seit 2002 Direktor des Kunstmuseum Bern, davor 1996 - 2002 Kunstredaktor der Neuen Zürcher Zeitung und von 1988 - 1996 Konservator der Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» in Winterthur.

Kommentare

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4 Kommentare

Ruth Gilgen
Dienstag, 18. Juni 2013, 12:30

Ein Schritt weiter! Merci für die Vertiefung… und hoffentlich viele Leser!

Benjamin Abplanalp
Montag, 17. Juni 2013, 18:51

Ich liebe Schatzkammern!

Annick Haldemann
Montag, 17. Juni 2013, 17:18

Herzliche Gratulation und guten Start!

Christian Schnellmann
Montag, 17. Juni 2013, 16:06

Endlich online!