Publiziert am 10. Oktober 2014 von Daniel Spanke

Augusto Giacometti – farbige Wände

Bei der Planung einer Ausstellung wie „Die Farbe und ich. Augusto Giacometti“  ist vieles zu bedenken. Beat Stutzer und ich wollten die Farbe zum Leitfaden der Ausstellung machen, weil Augusto Giacometti sich immer wieder auch theoretisch mit der Frage, wie man die Farben der Welt im Werk verwenden soll, auseinandergesetzt hat.

Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit der Einrichtung der Ausstellung betraf deshalb auch die Farben, die wir den Ausstellungswänden geben sollten. Die weisse Museumswand, die uns heute so selbstverständlich erscheint, war es noch Anfangs des 20. Jahrhunderts keinesfalls. Erst die Expressionisten setzten die weisse Wand und die Hängung in linearer Anordnung durch. Vorher waren Ausstellungswände häufig bunt, zum Teil auch dunkel, mit Stoff bespannt und die Hängung eher über die ganze Wand verteilt, was wir heute „Petersburger Hängung“ nennen. Der „White Cube“ setzte sich als Museumsstandard schnell durch. Er hat auch vieles für sich, können die Kunstwerke doch vor klarem Grund und nicht zu eng gehängt einzeln für sich wirken und betrachtet werden. Der „White Cube“ setzte gleichsam die naturwissenschaftliche Bedingung des Labors im Bereich der Kunstwahrnehmung durch.

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Blick von den „Glühenden Bildern“ zu den Blumen und Landschaften

Erst in den 90er Jahren begann man im Museumsbereich wieder mit farbigen Wänden zu experimentieren. Das Lenbachhaus in München wagte 1992 in einer spektakulären Neuhängung ihren Bestand an Werken des Blauen Reiters auf Wände zu setzen, die der Farbkraft der Bilder entsprach: Kandinskyrot, Mackegelb oder Murnauer Blau. Dieser Trend der farbstarken Wand ist mittlerweile wieder etwas abgeflaut, aber der Kurator ist freier geworden, auch Wandfarbe als Gestaltungselement einer Ausstellung einzusetzen. Bei Alter Kunst hat sich die weisse Wand aus historischen und ästhetischen Gründen sowieso nie wirklich empfohlen. Auch Weiss kann eine extreme Farbe sein.

Für die Augusto-Giacometti-Ausstellung war uns von Anfang an klar, dass die Farbenpracht  den Bildern vorbehalten bleiben muss. Sie sollen und dürfen strahlen und leuchten. Mit den Wandfarben wollten wir diese farbige Wirkung unterstützen. Deshalb schätzten wir Weiss nicht in allen Räumen als ideale Grundfolie für die Werke ein. Vielmehr schien uns ein dezentes Grau angebracht, vor dem die starken, subtil ausbalancierten Farben Giacomettis besonders gut zur Geltung kommen können. Ein mittleres Grau, nicht Weiss, ist die am neutralsten wirkende Farbe. Von ihm hat Joseph Beuys einmal gesagt, es sei seine Lieblingsfarbe, da es alle anderen Farben enthalte. Bezeichnenderweise hat Giacometti das Bildfeld seines frühen Gemäldes „Der Regenbogen“ (Kunstmuseum Bern) in Grautönen gehalten.

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Blick von den Blumen und Landschaften zu den „Glühenden Bildern“

Aber welches Grau sollten wir wählen? Grau kann schnell auch fahl und langweilig wirken. Wir entschlossen uns, verschiedene „farbige Graus“ zu wählen, die nicht zu sehr ins Auge stechen, aber doch die Raumwirkung unterschwellig modulieren. Der erste Raum mit den Gemälden aus der symbolistischen Zeit bis 1915 wurde in einem gelblichen Grau gehalten. Dieses warme, helle Grau passt hervorragend zu der „goldenen Stimmung“ der symbolistischen Themen. Der nächste Raum zeigt Papierarbeiten, die vor Licht geschützt werden müssen. Vor einem dunklen, blautonigen  Grau können die Landschaftsaquarelle nun funkeln wie Edelsteine. Der dritte Raum versammelt Blumenbilder und Landschaften, die viel Grün enthalten. Der Komplementärkontrast zum rotstichigen Grau der Wand verstärkt dabei die Farbwirkung dieser Bilder. Der grosse Raum mit den Chromatischen Abstraktionen sollte wieder sehr viel heller sein. Ein gelbliches Weiss unterstreicht die heitere Wirkung der abstrakten Bilder. Der nächste Eckraum ist wieder in einem Grau gehalten, das Grünanteile enthält. Damit soll die Farbkraft der „Glühenden Bilder“ dieses Raumes unterstützt werden. Der sich anschliessende „Studienraum“ zu Giacometti im Kontext europäischer Farbmalerei durfte dann in Weiss erstrahlen.

Unaufdringlich aber wirksam hat jeder Raum so seine eigene Farbstimmung erhalten. Die Modulation der Wandfarben soll sich dabei nicht in den Vordergrund drängen. Wenn Sie in einem der Eckräume stehen, schauen Sie doch einmal durch den nächsten hindurch in den sich anschliessenden Eckraum. Dann erscheinen Ihnen die Wände farbiger, als sie es im Raum tatsächlich sind.

Veröffentlicht unter Experten am Werk
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Daniel Spanke

Seit 2012 ist Daniel Spanke Kurator für Ausstellungen am Kunstmuseum Bern. Davor war er unter anderem Leiter der Kunsthalle Wilhelmshaven, Kurator des Kunstmuseum Stuttgart und von 2010-2012 Leiter Museum Haus Dix in Hemmenhofen.

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