Publiziert am 27. September 2013 von Kathleen Bühler

Die schönste Zeit im Jahr

In meinem Arbeitsjahr bricht nun die schönste Zeit an: das Einrichten der Ausstellung „Das schwache Geschlecht“. Unsere fleissigen Techniker, Maler und Schreiner haben bereits alle Zwischenwände am richtigen Ort eingebaut, alles gemäss meinen Angaben farbig gestrichen – es gibt Wände in grau, schwarz, rot und weiss – sowie die Einbauten für die Video- und Filmpräsentationen fertig gestellt. Ab Morgen und nächste Woche treffen die Transporte mit den rund vierzig Werken und Werkgruppen ein. Sie stammen aus Sammlungen in Österreich, Italien, den Vereinigten Staaten, Grossbritannien und der Schweiz. Ein Viertel der Werke kommt aus unseren eigenen Beständen, denn die eigene Sammlung soll immer Ausgangspunkt oder Verankerung einer Ausstellung in einer Institution sein. Andernfalls wird es schwierig zu erklären, weshalb genau ein Thema an einem spezifischen Ort überhaupt behandelt werden soll.

ausstellungsräumeII

Das technische Arsenal von „Das schwache Geschlecht“ steht bereit.

Die schönste Zeit ist es deshalb, weil nun die Ideen und Skizzen, welche bisher nur in meinem Kopf und auf unseren Plänen existierten, endlich Form annehmen. Mit jedem realen Objekt, das ausgepackt, von unseren Registrarinnen auf der Liste abgehakt und von den Restauratorinnen auf Transportschäden untersucht und minutiös protokolliert wird, rücken wir der Eröffnung einen Schritt näher und wird das „Gesamtunternehmen Ausstellung“ sinnlich erfahrbarer.

ausstellungsräumel

Ausblick von Raum 2.

Ungeachtet dessen wie viele Ausstellungen man schon realisiert hat, gibt es immer wieder Überraschungen bezüglich der tatsächlichen Grösse eines Objektes, der wirklichen Licht- und Tonverhältnisse in einem Raum oder der Wirkungen, welche die Werke aufeinander und auf uns Betrachtende ausüben. Deshalb hat man erst dann Gewissheit, ob eine Ausstellung „funktioniert“, wenn die einzelnen Werke im Raum stehen und langsam „miteinander zu sprechen“ beginnen. Eine Gruppenausstellung gleicht darin einer Wundertüte. Sie ist unberechenbar und das ist das Aufregende daran. Denn angestrebt wird nicht, dass die einzelnen Werke wie isolierte Statements aneinander gereiht werden, sondern dass ein vielstimmiges Konzert entsteht, in dem die einzelnen Melodien und Stimmen zwar deutlich hörbar bleiben, jedoch in einen Gesamtklang münden und bisweilen auch schräge Töne erzeugen.

Als weitere Herausforderung kommt dazu, dass es in der Ausstellung einige filmische Werke mit Tonspuren hat. Ihre jeweiligen Geräuschkulissen müssen geschickt zueinander platziert werden, so dass sie sich nicht gegenseitig stören. Oder anders gesagt, sollen die visuellen und akustischen Reibungen und Irritationen, welche innerhalb der Ausstellungsräume entstehen, inhaltlich sinnvoll zum Gesamtthema beitragen und nicht dem Zufall geschuldet sein … aber bis wir dort angekommen sind, geht es zum Glück noch zwei Wochen.

Veröffentlicht unter Blick hinter die Kulissen
Schlagwörter: , ,

Autor

Kathleen Bühler

Kathleen Bühler, Kuratorin und seit 2008 Leiterin der Abteilung Gegenwartskunst am Kunstmuseum Bern. Sie kuratierte unter anderem die Ausstellungen «Merets Funken» (2012), «Das schwache Geschlecht. Neue Mannsbilder in der Kunst» (2013/14) und «Chinese Whispers» (2016).

Kommentare

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Bitte füllen Sie alle Felder aus.

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.

Keine Kommentare