Wie sich Kunstausstellungen gestalten oder was macht eigentlich ein Ausstellungsgestalter
Bilder nebeneinander aufhängen kann vermutlich jeder. Wenn es darum geht eine Kunstausstellung räumlich umzusetzen, bedeutet das allerdings für den Gestalter, sich genauer mit dem Thema und der entsprechenden Präsentation der Bilder, Skulpturen und weiteren Objekte auseinanderzusetzen. Der Kurator kennt seine Werkauswahl und die damit verknüpfte Kernaussage. Er denkt fachspezifisch und auf wissenschaftlichem Niveau. Der Ausstellungsgestalter leistet Vermittlungsarbeit. Um dem interessierten Museumsbesucher den Inhalt nahezubringen, braucht es neben erläuternden Texten auch jemanden, der dies visueller und vielleicht auch emotionaler umsetzt und so den inhaltlichen Zugang für den Besucher erleichtert.
Egal ob es um Kunstausstellungen, kulturgeschichtliche Museen oder die Präsentation von speziellen Konsumgütern geht, die Objekte sind das Wichtige, können aber ohne Unterstützung meist nicht das vermitteln, was sie besonders macht. Ist die Mona Lisa das, was wir erwarten wenn sie in eine Ahnengalerie mit Petersburger Hängung integriert wird? Ist das Reitkostüm von Kaiserin Elisabeth nur ein schwarzer Wolljupe in Size Zero, wenn wir die handgestickten kaiserlichen Monogramme innen nicht sehen? Und ist das Papamobil von 1965 mehr als eine Luxuslimousine, wenn es irgendwo beim Gebrauchtwagenhändler steht? Wohl kaum.
Ich mag den Vergleich von Kunstwerken oder Bildern mit Menschen. Da gibt es welche, die passen prima zusammen und bereichern sich sofort gegenseitig. Andere brauchen Ruhe und Abstand um zu wirken oder bilden vielleicht mit ihrem Nachbarn eine ganz eigene, bisher unbekannte Symbiose. In einem kleinen schwarzen Buch mit dem Titel Taxi Driver Wisdom stehen recht geistreiche Lebensweisheiten, die New Yorker Taxifahrer spontan zum Besten geben, zum Beispiel:
“People look so much better alone.”.
Weil uns der Mensch als soziales Wesen sympathischer und vertrauter ist als der Einzelgänger, ist man beim ersten Lesen dieser Aussage irritiert. Aber die Konzentration auf den einzelnen Menschen und seine Erscheinung ist eben weitaus objektiver und wertfreier als die auf ein Paar oder auf eine Gruppe. Nicht anders ist es bei Kunstwerken, die zuerst einmal auch much better alone ohne ablenkende Einflüsse von außen oder den konsekutiven Nachbarn wahrgenommen werden können.
Trotzdem ist Kunstpräsentation nicht nur ein mathematisches Abzirkeln von Abstandsflächen, genauso wie eine Ansammlung von Einzelpersonen in einem Raum nicht automatisch das Interesse weckt oder Kommunikation fördert. Es braucht wie in vielen Bereichen die passende Vermittlung oder die richtige Moderation dafür.
In der Ausstellung „Stein aus Licht. Kristallvisionen in der Kunst“ im Kunstmuseum Bern habe ich gemeinsam mit dem Kurator Daniel Spanke versucht, das Thema des Kristalls und kristalliner Körper auch räumlich umzusetzen. Das Ergebnis sind kleine Raum- bzw. Themeneinheiten in Form von dreidimensionalen Stellwänden, die Abstände sichern und den Themenfluss visualisieren helfen. Wie bei einer kristallinen Molekülkette sind diese Einheiten miteinander verknüpft und bilden im besten Fall ein neues Substrat.
Die geometrische Form kristalliner Körper hat uns inspiriert, die verschiedenen Raumgefüge umzusetzen. Das Dreieck als Grundrissform wird abgewandelt wiederholt, gespiegelt oder um seine Achse rotiert und bildet in der CAD-Umsetzung zuerst einmal interessante zweidimensionale Effekte. Die dritte Ebene gilt es dann im Arbeitsmodell mit den Objekten zu finden.
Aber vielleicht ist doch alles viel einfacher, meint zumindest der Taxi Driver: „Everybody go different way to see the same thing.“.
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Schlagwörter: Ausstellungsarchitektur, Stein aus Licht