Publiziert am 10. November 2014 von Sarah Merten

„Und ’ezt? Was hät das mit mir z’tue?“

„Und ’ezt? Was hät das mit mir z’tue?“ – Es gibt immer wieder Momente, in denen ich mich selbst dabei ertappe, wie ich mit dieser oder einer ähnlichen Frage auf eine Situation reagiere, die ich nicht sofort nachvollziehen kann. Der Unterton ist dabei ein ablehnend trotziger, womit die Frage sogleich die Distanz zwischen mir und dem Unverständlichen markiert. Aber bekanntlich (und glücklicherweise) ändert sich durch Trotzreaktionen meistens nichts und ich erinnere mich immer wieder daran, dass es exakt dieselbe Frage ist, mit der ich mich den Dingen und Umständen auch annähern kann. Die Grundhaltung muss dafür aber eine wohlwollend interessierte sein. Wenn ich nämlich frage, was das, womit ich konfrontiert bin, mit mir zu tun hat, so setze ich mich damit in Beziehung und versuche, den Zusammenhängen auf die Spur zu kommen.

Diese Methode funktioniert gleichermassen für historische oder tagesaktuelle Ereignisse – und ebenso für Kunstwerke. Die simple Frage erhält eine Schlüsselfunktion, wenn wir uns unseren Standpunkt vergegenwärtigen. Und bekanntlich kommt es immer auf die Perspektive an, von welcher aus wir etwas betrachten oder beurteilen. Kunstwerke beispielsweise, sind immer gleichermassen historisch wie aktuell. Sie tragen ihre Geschichte in sich, präsentieren sich aber im Hier und Jetzt. Wenn wir danach fragen, was dies, was wir sehen, mit uns zu tun hat, dann aktualisieren wir das Kunstwerk. Wir holen es in unsere Gegenwart und es wird sicherlich nicht mehr dieselbe sein, wie zur Entstehungszeit des Werks. Nicht zuletzt, weil das Kunstwerk ja einer (damaligen) Wahrnehmung von Gegenwart aus der Sicht des Künstlers oder der Künstlerin entstammt.

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Installationsansicht mit Werken von Pierre André Ferrand, David Renggli, Loredana Sperini und Pipilotti Rist.

Die Ausstellung „Im Hier und Jetzt!“ – welche zurzeit im Kunstmuseum Bern zu sehen ist und Schweizer Kunst der letzten 30 Jahre aus der im Hause beheimateten Sammlung der Stiftung Kunst Heute zeigt – setzt sich mit Fragen nach der Dauer von Gegenwart und nach den jeweiligen Perspektiven darauf auseinander. Alle Werke, die Eingang in die Sammlung der Stiftung fanden, galten zum Zeitpunkt des Erwerbs als jeweils aktuelle Schweizer Kunst von Heute. Die Stiftung war über 30 Jahre lang, von 1982 bis 2013, aktiv und es stellt sich unweigerlich die Frage, ob das „Heute“ von damals noch das „Heute von jetzt ist. Haben sich in diesen wenigen Jahrzehnten die Rahmenbedingungen für unsere Lebensrealitäten doch merklich verändert. Die Mechanismen der Globalisierung sind verantwortlich für weltumspannende Systeme in der Wirtschaft, in der Politik, im sozialen Leben und ebenso in der Kommunikation, so dass wir heute in einer komplexen Zeit mit massiver Informationsdichte leben. Dabei den Durchblick zu behalten ist nahezu unmöglich und mit grossem Aufwand verbunden. Der Anfang aber bleibt, sich über seine jeweilige Perspektive bewusst zu werden.

Darum gliedert sich die Ausstellung thematisch in vier Kapitel, welche aus unterschiedlichen Blickwinkeln die engen Verflechtungen von Mensch und Welt beleuchten, um so mögliche Orientierungspunkte für das Hier und Jetzt zu bieten. Zu sehen sind dabei zahlreiche Werke von namhaften Schweizer Kunstschaffenden wie u. a .Pipilotti Rist, Thomas Hirschhorn, Loredana Sperini, David Renggli oder Judith Albert.

Weitere Perspektiven zur Ausstellung bieten die öffentlichen Führungen: Am Dienstag 11. November um 19h mit der Kuratorin Sarah Merten, an den restlichen Daten mit dem Team der Kunstvermittlung des Kunstmuseums Bern.

Veröffentlicht unter Experten am Werk

Sarah Merten

Sarah Merten ist Kunsthistorikerin und seit 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Gegenwartskunst am Kunstmuseum Bern tätig.

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