Ostern mit Bill Viola im Berner Münster
Dass ich aus beruflichen Gründen soviel Zeit im Berner Münster verbringe, hätte ich bis vor kurzem auch nicht gedacht. Die wunderbaren Begegnungen mit dem Berner Juwel verdanke ich hingegen – einmal mehr – der Gegenwartskunst.
Mit Bill Viola zeigen wir ab 11. April in enger Zusammenarbeit mit der Berner Münstergemeinde einen international bedeutenden, zeitgenössischen Künstler, der mit seinen meditativen Werken an die grossen spirituellen Traditionen aus Ost und West anknüpft und diese mit aktuellen, künstlerischen und technischen Mitteln weiterführt. Fünf zum Teil grossformatige Videomonitore kommen zu den Marmortafeln, Wandmalereien, Steinskulpturen, farbigen Glasfenstern und hölzernen Chorgestühlen neu hinzu. Sie werden bis Ende Juli in die mittelalterlichen Gemäuer eingebettet und das bestehende Ensemble um bewegte und bewegende Bilder erweitern.
Bill Violas Beschäftigung mit spirituellen Themen begann, nachdem er in seiner Familie einige Schicksalsschläge miterlebt hatte. Dabei erkannte der heute 63-jährige Künstler, wie selten sich die zeitgenössische Kunst mit solchen Erfahrungen auseinandersetzt. Anders verhält es sich in den bedeutenden Gemälden der Renaissance und des Barock. Dort fand der Künstler grosse Inspiration und verstand, dass Kunst auch im Inhalt und nicht nur in der Formgebung oder im Nachdenken über den Kunstbegriff besteht. Viele dieser Gemälde fanden Eingang in Bill Violas Kunst, allerdings nicht als Nachahmung von historischen Vorbildern, sondern als Anregung zur Darstellung des Humanen, das uns ungeachtet der Unterschiede in Epochen, Religionen und Kulturen vereint. Als Ergänzung zu dieser Meditation über das Menschliche stehen in den vier Werken, welche im Kunstmuseum Bern gezeigt werden, das Frühwerk und Violas Reflexion der Wahrnehmung im Vordergrund. In diesen Werken erkennen wir ganz den Videopionier, der von Nam June Paik und Peter Campus gelernt hat. Bill Viola gehört einer Generation an, welche sich mit dem neuen Medium Video eine Demokratisierung der Bildwelt sowie eine Gegenreaktion auf die „volksverdummende“ Kraft des kommerziellen Fernsehens erhoffte. Mit der heute gängigen Praxis der „Selfies“ und der Dokumentation des Privatlebens auf sozialen Portalen, wurde diese Demokratisierung zwar vollzogen. Wie bei nahezu jeder breiten Bewegung mangelt es ihr dafür an Tiefe. Es erscheint deshalb nur als logische Entwicklung, dass Bill Viola nach der Demokratisierung der elektronischen Bildwelt, in seiner Beschäftigung mit spirituellen Inhalten nun eine neue Tiefe fand.
Veröffentlicht unter Experten am Werk
Schlagwörter: Bern, Bill Viola, Zeitgenössische Kunst