Publiziert am 7. Oktober 2019 von Nora Lohner

Meret Oppenheim im Fokus: Einblick in die Arbeit eines international zusammengesetzten Kuratorinnenteams

Interview mit der Direktorin und Kuratorin Nina Zimmer
2021 widmet das Kunstmuseum Bern der Schweizer Künstlerin Meret Oppenheim (1913-1985) eine grosse Retrospektive. Die Ausstellung entsteht in Partnerschaft mit der Menil Collection, Houston und dem Museum of Modern Art in New York. Im Interview berichtet Direktorin Nina Zimmer von dem Projekt und der internationalen Zusammenarbeit.

Meret Oppenheim, Zeichnung zu “Le spectateur vert”, 1933, Tusche auf Papier, 27 x 21 cm. Kunstmuseum Bern © 2019, ProLitteris, Zürich

Nina Zimmer, was ist die Beziehung zwischen dem Kunstmuseum Bern und der Künstlerin Meret Oppenheim?
Meret Oppenheim hat von den 40er- bis in die 80er-Jahre in Bern gelebt, sie war Teil der Berner Künstlerszene – und Werke von ihr sind in zahlreichen Berner Sammlungen vertreten– besonders zeichnet das Kunstmuseum Bern jedoch aus, dass wir ihren Nachlass empfangen durften und damit die umfangreichste Museumssammlung ihres Werks weltweit besitzen. Mit dem Projekt «Meret Oppenheim digital», unterstützt von Helvetia Versicherungen, konnten wir dieses Konvolut digitalisieren und so nicht nur technisch hochwertige Bilddaten erstellen, sondern auch neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit und die Arbeitsweise der Künstlerin gewinnen. Diese Ergebnisse werden nicht zuletzt Teil der Ausstellungspräsentation sein.

Was ist der ausschlaggebende Grund, weshalb Sie gerade jetzt eine Retrospektive zu Meret Oppenheim planen?
Meret Oppenheim ist eine zentrale Figur der Moderne des 20. Jahrhunderts, ihr Werk ist jedoch immer eindimensional mit der surrealistischen Phase identifiziert worden. Wir möchten mit der geplanten Ausstellung ihr gesamtes Oeuvre, das parallel zu zeitgenössischer Kunst der 60er, 70er und 80er Jahre entstand, neu entdecken.

Die Partner der Ausstellung sind die beiden amerikanischen Museen Menil Collection in Houston und das Museum of Modern Art in New York. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Das Museum of Modern Art lag als Partner auf der Hand, da das Haus mit der Pelztasse eine ihrer ikonischen Arbeiten in der Sammlung hat – ihr aber noch nie eine monographische Ausstellung gewidmet hat. Das MoMA ist genau wie wir daran interessiert, wichtige Künstlerinnen neu zu positionieren. Insofern ist er ein idealer Partner. Dies gilt ebenso für die Menil Collection in Houston. In der dortigen Sammlung befindet sich eine signifikante Gruppe von Arbeiten Oppenheims und in Gesprächen kristallisierte sich früh das Interesse heraus, an dieser Kooperation mitzuarbeiten. Es ist eine Zusammenarbeit aller drei Institutionen, in Houston ist Natalie Dupêcher die Kuratorin, in New York Anne Umland, und in Bern übernehme ich die Kuratorenrolle.

Was sind die Challenges bei der Arbeit in einem internationalen Team für eine Ausstellung und in welcher Phase befindet sich das Projekt zurzeit?
Die Arbeit über verschiedene Zeitzonen und verschiedene Planungskulturen hinweg sinnvoll zu etappieren ist vielleicht die grösste Herausforderung – auch die Arbeitsteiligkeit einer Ausstellungsplanung ist, wie man sich vorstellen kann, in einem Mega-Betrieb wie dem MoMA sehr anders organisiert als in einem vergleichsweise kleinen Haus wie dem Kunstmuseum Bern. Aktuell sind wir auf der Pirsch nach den besten Werken in Europa und den USA – verschiedene Teams sichten in privaten und öffentlichen Sammlungen die Werke und wir erstellen daraus eine Auswahl für die Ausstellung.

Können Sie etwas zur bisherigen Rezpetion von Meret Oppenheim sagen? Hat die amerikanische Kunstgeschichte eine divergierende Perspektive auf die Künstlerin?
Meret Oppenheim leidet in den USA unter derselben einseitig auf den Surrealismus hin ausgerichteten Rezeption wie in Europa – in Bern kommt hinzu, dass sie vielfach unter ihren Wert geschlagen wurde und über lange Zeit als lokales Phänomen wahrgenommen wurde.

Das Kunstmuseum Bern hat bereits 2006 eine Retrospektive zu Meret Oppenheim veranstaltet. Was ist das neue an der geplanten Retrospektive?
Grosse Künstlerinnen und Künstler kann man sicher mindestens alle 10 Jahre einmal zeigen – insofern ist eine neue Ausstellung überfällig. Durch die internationale Perspektive und den Fokus auf das Spätwerk rücken wir eine andere Meret Oppenheim ins Zentrum, als dies Kuratorin Therese Batthacharya in ihrer sehr gelungenen Ausstellung 2006 in Bern tat.

Inzwischen werden immer häufiger Künstlerinnen mit Retrospektiven gewürdigt. Sehen Sie darin einen zeitbedingten Trend? Und ist es ein Zufall, dass gleich drei Kuratorinnen an dieser Ausstellung arbeiten?
Ich hoffe dass es mehr als ein Trend ist, und die Kunstwelt die Dringlichkeit, unterbewertete weibliche Positionen neu zu sichten, wirklich verstanden hat. Dass es drei Kuratorinnen sind – ist vielleicht Zufall, vielleicht jedoch auch nicht.

Meret Oppenheim ist berühmt für ihre Pelztasse, die sich in der Sammlung des MoMA befindet. Welches ist Ihr Lieblingswerk aus der Sammlung des Kunstmuseum Bern?
Mein Lieblingswerk ist Der grüne Zuschauer, eine enigmatische Stele, eine Arbeit an der Oppenheim über viele Jahre hinweg konzeptuell arbeitete – in der Materialität ist sie von einer geradezu abstossenden zeitgenössische Künstlichkeit, zugleich hat die Figurine etwas überzeitlich archaisches – diese Widersprüche reizen mich sehr.

Meret-Oppenheim_DerGrüneZuschauer

Meret Oppenheim, Der grüne Zuschauer (Einer der zusieht, wie ein anderer stirbt), 1933/1959, Lindenholz, in Öl gefasst, und Kupferblech, 166 x 49 x 15 cm. Kunstmuseum Bern © 2019, ProLitteris, Zürich

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Autor

Nora Lohner

Nora Lohner ist wissenschaftliche Assistentin Sammlung des Kunstmuseum Bern. Sie hat Kunstgeschichte an den Universitäten Basel und Hamburg studiert und ist seit 2019 am Haus tätig.

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