Kunstmuseum Bern im Lockdown – Ausstellungsvorbereitungen von Zuhause aus
In dieser Zeit ist vieles anders. Normalerweise pendle ich von Basel aus ans Kunstmuseum Bern und unser Haus in Basel bleibt tagsüber leer. Mein Mann arbeitet in Baden und die Kinder sind in der Schule. Nun sitzen wir alle daheim. Anfangs mussten sich die beiden Jungs im Teenageralter an das Homeschooling gewöhnen. Inzwischen hat es sich eingespielt, per E-Mail erhalten sie Aufträge von ihren Lehrer*innen. Manchmal wird es etwas lauter, dann stellt sich die Frage, ob sie im virtuellen Klassenzimmer oder am Gamen sind …
Ich nutze die Zeit im Homeoffice und bereite meine nächste Ausstellung vor. Wachsen, Blühen, Welken. Ernst Kreidolf und die Pflanzen soll im September eröffnet werden. Bis dahin, so hoffe ich, werden wir die Coronavirus-Pandemie überstanden haben. Auch arbeite ich an längst fälligen Bereinigungsarbeiten in unserer Museumsdatenbank, der Fernzugriff auf die Museumsserver macht‘s möglich. Die Graphische Sammlung umfasst mehr als 60000 Werke. Da ist es ganz entscheidend zu wissen, was wo vorhanden ist. So lösche ich beispielsweise doppelte Einträge, wobei natürlich keine Information verloren gehen darf. Oft sind die Standortangaben kaum gezeigter Werke nicht zuverlässig; mal sind sie nicht (mehr) verständlich (wo bitte ist „Martis Schrank“?), mal mehrdeutig (welche „Schachtel 2“ ist denn gemeint?), mal fehlen sie ganz. Nun bin ich daran, die Depotplatzangaben zu präzisieren und zu vereinheitlichen. Ob die Werke wirklich in den vermuteten Schachteln sind, lässt sich nur vor Ort überprüfen. Vor einiger Zeit haben wir mit einer solchen Inventur begonnen.
Jetzt, da das Museum geschlossen ist und andere Arbeiten ruhen, wollen wir sie wieder stärker vorantreiben: Andres, ein Museumstechniker, der nun keine Leihgaben vorbereiten oder Ausstellungen aufbauen kann, hilft. Ab und zu werde auch ich für die Kontrollarbeiten im Grafikdepot nach Bern fahren. Ich freue mich, dabei viele mir noch nicht bekannte Werke kennenzulernen. Denn: manche Ausstellungsidee entsteht erst aus der Kenntnis der Originale. Wären mir die Zeichnungen nicht während der Inventur begegnet, hätte ich letztes Jahr weder Louise Bourgeois‘ Ohne Titel in der Selbstbildnis-Ausstellung zeigen können noch Maria Uhdes Komposition in Clair de lune. Mondbilder der Graphischen Sammlung. Homeoffice eignet sich für manches, doch der direkte Kontakt mit den Kunstwerken ist nicht zu ersetzen.
Was meinen Museumsalltag so wertvoll macht, der Austausch mit vielen verschiedenen Menschen, findet dank technischer Möglichkeiten noch statt, aber in deutlich reduziertem Mass. Zurzeit werden beispielsweise keine Besucher*innen empfangen, die sich im Grafiksaal Originale ansehen wollen. Zum Glück hat ein Kunsthistoriker, der den Nachlass von Bertha Züricher aufarbeitet, noch vor zehn Tagen unsere Zeichnungen und Holzschnitte studieren können. Auch die Mittagspausen mit den Kolleginnen fehlen mir. Der Alltag zu Hause profitiert dagegen von der Verlangsamung und dem Wegfall von Alternativen. Wir kochen gemeinsam, geniessen den Garten und entdecken neue Velorouten, seit die Grenzen zu Frankreich geschlossen sind. Auch von Deutschland sind wir abgeschnitten, können weder auf den Lörracher Markt noch Verwandte und Bekannte dies- und jenseits der Grenze treffen. Den Alltag nicht als Selbstverständlichkeit zu erleben, sondern als Privileg, ist etwas, was mich diese Krise lehrt.
Veröffentlicht unter Allgemein, Blick hinter die Kulissen
Schlagwörter: KMB, Lockdown