Hanna Bekker vom Rath. Schutzpatronin der verfemten Künstler des Expressionimus
Als wir vor gut einem Jahr gemeinsam mit dem Museum Wiesbaden mit der Planung der Ausstellung Zwischen «Brücke» und «Blauer Reiter». Hanna Bekker vom Rath als Wegbereiterin der Moderne begannen, war nicht voraus zu sehen, dass Thema und Inhalt dieses Projekts in den Scheinwerfer des öffentlichen Interesse rücken würden: Mit dem sensationellen Kunstfund in der Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt änderte sich das schlagartig. Plötzlich war das Thema „entartete“ Kunst und „Raubkunst“ in aller Munde.
Hatte Hildebrand Gurlitt von der verheerenden Kunstpolitik der Nazis profitiert (ohne ihn deswegen unzulässiger Weise bereits vor zu verurteilen), so gehörte Hanna Bekker vom Rath zu den Standhaften, die sich dem nationalsozialistischen Regime entzogen. Sie wurde zu einer Art Schutzpatronin der als „entartet“ verfemten Künstler des deutschen Expressionismus. Auf der Liste der Werke „entarteter“ Kunst, die Hildebrand Gurlitt 1950 von den Alliierten zurück erhalten hatte, finden sich praktisch alle Namen jener Künstler wieder, die Hanna Bekker vom Rath unterstützte, deren Werke sie sammelte und die nun den Kernbestand unserer Ausstellung bilden: Max Beckmann, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Käthe Kollwitz, Otto Müller, Karl Schmidt-Rottluff, um nur die wichtigsten zu nennen – und schliesslich auch Paul Klee. 1937 wurden in der Münchner Schandausstellung “Entartete Kunst” Bilder von Schmidt-Rottluff unter dem höhnischen Motto „So schauen kranke Geister in die Natur” vorgeführt, während einige Säle weiter Werke von Klee in diffamierender Absicht gezeigt wurden, indem sie Zeichnungen schizophrener Menschen gegenüber gestellt wurden.
Hanna Bekker vom Rath liess sich durch das vergiftete Klima während der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht beirren und unterstützte die verfemten und verfolgten Künstler im Geheimen. Sie kaufte ihre Werke an, lud die Maler nach Hofheim in der Nähe von Wiesbaden in ihr legendäres Blaues Haus ein und führte sie dort mit Sammlern zusammen. Mit ihrem couragierten Eintreten wurde sie für viele Künstler zur verlässlichen Freundin. Das Blaue Haus wurde zum Refugium für verfolgte und verfemte Maler und Grafiker. Jüdische Künstler und Intellektuelle wie Ludwig Meidner oder Rosa Schapire waren ebenso willkommene Gäste wie die Maler Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff oder lda Kerkovius, mit denen Hanna Bekker lebenslang verbunden blieb. Für Schmidt-Rottluff, der aus der ‘Reichskammer der bildenden Künste’ ausgeschlossen und mit Berufsverbot belegt worden war, liess Hana Bekker im weitläufigen Garten des Blauen Hauses ein Atelier bauen. Für ihn – wie für vielen andere – war Hanna Bekkers Unterstützung von existenzieller Bedeutung.
Die in Zusammenarbeit mit dem Museum Wiesbaden entstandene Ausstellung im Zentrum Paul Klee präsentiert mit ca. 120 Bildern die ehemalige Sammlung von Hanna Bekker zum ersten Mal in der Schweiz. Die Liste der in Bern ausgestellten Künstler umfasst nicht weniger als 24 Namen – neben den bereits genannten Protagonisten des deutschen Expressionismus so bedeutende Künstler wie Emil Nolde, Ewald Mataré, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, August Macke, Kurt Schwitters. Ausserdem Adolf Hölzel, Begründer der für die Moderne bahnbrechenden Farbkontrastlehre und Direktor der Stuttgarter Kunstakademie, der Ida Kerkovius, aber auch Hanna Bekker vom Rath unterrichtete, bis hin zu Willi Baumeister, dessen Bilder im Gegensatz zu den expressiven Bildern seiner Kolleginnen von einem abstrakten, geometrischen Bildvokabular gekennzeichnet ist, das an Oskar Schlemmers Kunst und an den Konstruktivismus erinnert.
Unsere Ausstellung beginnt mit dem virtuellen Eintritt in das „Rote Zimmer” des Blauen Hauses, von dem wir eine Wand an Hand einer Fotografie partiell rekonstruiert und das zentrale Gemälde Nächtlicher Mittelmeerhafen von Karl Schmidt-Rottluff von 1930 im Original an seinen ursprünglichen Platz gehängt haben. Es war Hanna Bekker vom Raths erster Kauf eines Gemäldes von Schmidt-Rottluff. Sie hatte es 1931 in einer Ausstellung des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt gesehen und war derart begeistert davon, dass sie für den Kauf eine Perlenkette aus Familienbesitz verkauft. Die Bilder Schmidt-Rottluffs, die eine fast halluzinatorische Farbwirkung ausüben, sind eine der grossen Entdeckungen dieser Ausstellung. ln ihnen entwickeln sich scheinbar konventionelle Sujets wie Landschaften oder Stillleben zu wahren Farbexplosionen, die uns als Betrachter in ihren Bann ziehen.
Veröffentlicht unter Gastbeitrag
Schlagwörter: Zentrum Paul Klee