Publiziert am 7. September 2017 von Nathalie Bäschlin

Meret Oppenheim digital

Ein Projekt mit Unterstützung von Helvetia Versicherungen

 

Material zwischen Transformation und Zerfall

Die Styroporfigur habe sie so lange gelangweilt, bis sie ihr eines Tages Fellbrauen montiert habe, um ihr einen wütenden Gesichtsausdruck zu verleihen, sagte Meret Oppenheim über Meteora. Tatsächlich verwandeln die Pelzbrauen und der Regal-Torso den lieblichen, aber öden Ausdruck des Styropormannequins in ein tierisches, irritierendes Wesen. Die Ideen für die ungewöhnlichen Materialkombinationen seien ihr zugefallen. Sie habe sie wahrgenommen und umgesetzt. Hat der lange andauernde Blickkontakt mit der Styroporfigur den Einfall provoziert oder waren es die Fellreste?

Links: Meteora, 1977 105 x 50 x 15cm Öl, Pelz, Kupfer, Metall, Stoff und Kitt auf Styropor auf Holzgestel, Kunstmuseum Bern Rechts: Altes Grab im Wald, 1977, 70 x 50 x 4cm, Farbstift, Steine, Modelliermasse, Kupferrohr auf Papier, gerahmt mit Holz und Plexiglas, Kunstmuseum Bern

Links: Meteora, 1977, 105 x 50 x 15 cm, Öl, Pelz, Kupfer, Metall, Stoff und Kitt auf Styropor auf Holzgestell, Kunstmuseum Bern, Legat der Künstlerin.
Rechts: Altes Grab im Wald, 1977, 70 x 50 x 4 cm, Farbstift, Steine, Modelliermasse, Kupferrohr auf Papier, gerahmt mit Holz und Plexiglas, Kunstmuseum Bern, Legat der Künstlerin.

Im Werk Altes Grab im Wald vereint die Künstlerin Fundobjekte aus Natur und Kultur. Steine, Blätter, und Rahmenfragmente auf Modelliermasse und ein Kupferrohr montierte sie auf eine Zeichnung. Das Papier hat die öligen Bestandteile der Modelliermasse aufgesaugt. Wird es an dieser Stelle spröde und rissig werden? Wird die dunkle Verfärbung zunehmen?

Meret Oppenheim zählt zu den bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihr Interesse galt der Verwandlung zwischen den Geschlechtern, zwischen Mensch und Tier, zwischen Traum und Wirklichkeit. Mythen, Spiele, literarische Schriften und eine immense Vielfalt an Materialien dienten ihr für ihr künstlerisches Werk als Ausgangspunkt.

Meret Oppenheim digital

Das Digitalisierungsprojekt stellt die Vielfalt der Materialität und der künstlerischen Techniken von Meret Oppenheim ins Zentrum. Die experimentelle Herangehensweise in der materiellen Umsetzung führte zu einer erhöhten Fragilität der Werke, der sich die Künstlerin sehr bewusst war und der sie mit grosser Sorgfalt begegnete. Die Materialveränderungen, die sich an den Kunstwerken beobachten lassen, sind nicht ausreichend dokumentiert. Welche Konsequenzen haben sie auf die Erhaltung der Werke und wie bewerten wir sie?

Neben fotografischen Techniken haben sich heute auch neue Digitalisierungsverfahren für die Zustandsdokumentation durchgesetzt. Es ist mittlerweile möglich, anhand von hoch auflösenden Scans nicht nur die Farbwerte, sondern auch die Oberflächentextur in einer bisher nicht bekannten Qualität abzubilden. Der Digitale Referenzscan ergibt hochauflösende Digitalisate, die langfristig als Referenz dienen, wie das Kunstwerk zum Zeitpunkt der Digitalisierung ausgesehen hat. Der Scanner wird zum Farbmessgerät und die Ausgabe zum Abbild davon. Das Digitalisat beinhaltet die Speicherung der gemessenen Farbwerte. Texturen und Schäden wie Knicke im Papier oder Risse in der Farbschicht lassen sich farbverbindlich und detailgetreu abbilden. Sie erleichtern und objektivieren die Zustandskartierung.

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Der Digitale Referenzscan von RECOM der Zeichnung von Paul Klee lässt beispielhaft erkennen, dass sich die Spannung des Papiers und die damit verbundenen Deformationen gut dokumentieren lassen. Der Grad der Verbräunung wird im Zuge des Scanprozesses messtechnisch erfasst und dokumentiert. Bilddaten von Recom Art Care KG, Berlin, Paul Klee, Hänge leuchten, 1927 N7, © Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Der Digitale Referenzscan von RECOM der Zeichnung von Paul Klee lässt beispielhaft erkennen, dass sich die Spannung des Papiers und die damit verbundenen Deformationen gut dokumentieren lassen. Der Grad der Verbräunung wird im Zuge des Scanprozesses messtechnisch erfasst und dokumentiert. Bilddaten von Recom Art Care KG, Berlin, Paul Klee, Hänge leuchten, 1927 N7, © Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf

Zustandskontrolle und Vorbereitung – die erste Projektphase läuft

Das Kunstmuseum Bern beherbergt 347 inventarisierte Objekte der Künstlerin aus den Jahren 1930 bis 1985. Ein grosser Teil der Werke kam über das Legat Meret Oppenheim und über Stiftungen in das Kunstmuseum, rund 170 Werke sind Leihgaben aus Privatbesitz.

Josefine Werthmann, Restauratorin für Grafik, Fotografie und Schriftgut untersucht die Arbeiten auf Papier und die Fotografien von Meret Oppenheim hinsichtlich ihres Erhaltungszustands. Notwendige konservatorische Massnahmen werden erfasst und vor dem Scanprozess durchgeführt.

Josefine Werthmann, Restauratorin für Grafik, Fotografie und Schriftgut untersucht die Arbeiten auf Papier und die Fotografien von Meret Oppenheim hinsichtlich ihres Erhaltungszustands. Notwendige konservatorische Massnahmen werden erfasst und vor dem Scanprozess durchgeführt.

Die Laufzeit des Projekts beträgt vier Jahre. In einer ersten Phase werden die Gemälde und Arbeiten auf Papier für die Scanphase vorbereitet. Die Werke auf Papier sind in Archivschachteln gelagert. Sie werden einzeln ausgepackt und auf ihren Zustand hin geprüft. Gerahmte Werke sind eine besondere Herausforderung: Sind die Montagen original, können sie ausgerahmt gescant werden oder wird die originale Präsentation einbezogen? Parallel laufen die Vorbereitungen der Scanphase selbst. Wo und wann können wir den grossen Cruse-Scanner aufbauen und die Spezialisten in Empfang nehmen? Wie gestalten wir den Ablauf? Wir werden darüber berichten.

Veröffentlicht unter Allgemein, Blick hinter die Kulissen
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Nathalie Bäschlin

Nathalie Bäschlin ist Restauratorin und leitet die Abteilung Konservierung und Restaurierung am Kunstmuseum Bern. Begleitend ist sie als Dozentin am Fachbereich Konservierung und Restaurierung und in der Forschung an der Hochschule der Künste Bern tätig.

Kommentare

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1 Kommentar

Daniel Spanke
Mittwoch, 20. September 2017, 18:16

Das klingt ja richtig spannend. Toll, dasss dieses wichtige Dokumentationsprojekt endlich umgesetzt wird. Viel Erfolg, liebe Nathalie!