Publiziert am 25. September 2014 von Kathleen Bühler

Cécile Wick. Ansichten

Cécile Wick (geb. 1954 in Muri AG) gehört zu den bedeutenden Künstlerinnen der Schweiz, welche die bildnerischen Möglichkeiten der Fotografie bis heute radikal erweitern und erneuern. Zwar war die Kamera immer ihr wichtigstes Instrument, doch benutzte sie daneben auch Tuschepinsel, Videokamera, Computer und Plotter.

In den 1980er Jahren begann Cécile Wick ihre sanfte Subversion der vorherrschenden fotografischen Ästhetik, indem sie die klassischen fotografischen Elemente wie Komposition, Schärfe, Schwarz-weiss und das Objektiv-Dokumentarische schrittweise hinter sich liess zugunsten eines experimentellen Umgangs mit dem Visuellen, der tiefere Schichten anpeilt als die perfekte Erfassung der Dingwelt. So will die Künstlerin «nicht fotografisch Welt erfassen, sondern Welt in Bild auflösen, bis hin zur Ungegenständlichkeit» (Martin Jaeggi in Cécile Wick. Colored Waters, Zürich 2011, o.S. ). Dabei entpuppt sich das von Cécile Wick angestrebte «gültige Bild» als intuitiv erahntes, sorgsam herausgearbeitetes und stets mehrdeutiges Inbild. Dies wird nirgends deutlicher als in ihren aktuellen Werkgruppen, in denen Fotografien und Zeichnungen gleichberechtigt nebeneinander hängen und sich in Textur und Anmutung immer ähnlicher werden. Es spielt keine Rolle, ob es sich dabei um ein abstraktes, geflecktes Aquarell oder die Aufnahme eines auffliegenden Vogelschwarms handelt. Beides gleicht sich einander an, verweist gegenseitig auf strukturelle Entsprechungen und lädt ein, über tieferliegende Verwandtschaften nachzudenken.

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Cécile Wick, Schwarm, 2012. Inkjetprint auf Aquarellpapier, 30,0 x 42,0 cm, Kunstmuseum Bern © Die Künstlerin

Cécile Wick bespielt in lockeren Abständen ganze Wände mit Landschafts-, Stadt-, Kunst- und Tieraufnahmen, welche von abstrakten Tuschezeichnungen ergänzt werden. Im fragmentarischen fotografischen Blick auf die tägliche, natürliche oder urbane Umgebung tauchen Anordnungen und Strukturprinzipien hervor, welche in den Tuschezeichnungen ein Echo finden. Die schwungvoll gezeichnete, vertikale, schwarze Zickzacklinie erscheint als nahgesehenes Band von Grashalmen, wie die fotografierte, grüne, noch geschlossene Blüte eines Magnolienbaumes. Durch die fein austarierte Komposition der gesamten Wand gelingt der Künstlerin eine verdichtete Betrachtung des Lebendigen. In früheren Werken hat Wick durch die expressive Verwendung von fotografischen Ausdrucksmitteln wie Über-oder Unterbelichtung, veränderten Kontrasten und Farbschattierungen eine Aufnahme solange weiterbearbeitet, bis sie diesen Bildcharakter bekommen hat. Dabei geht es nicht um das Spezifische eines Moments – der im Gegenteil durch die lange Verarbeitung eine ganz andere zeitliche Anmutung erwirbt – oder eines bestimmten Ortes, sondern um die Frage, inwiefern das Leben selbst im Bild lesbar wird. Dafür vermeidet die Künstlerin jegliches Anekdotische bis nur noch Oberflächen vorhanden sind «ohne Symbolik, Metaphorik oder sonst eine Bedeutung» (Kunstbulletin, 11/2013). Auf diese Weise verwirft Cécile Wick Konventionen der «objektiven Realität», um sich stattdessen einer zutiefst subjektiven, zeitlosen und intuitiven (Innen-)Schau zu öffnen.

Sammlungswerke von Cécile Wick sind von 26. September bis 25. Oktober 2014 im Kunstmuseum Bern @ PROGR zu sehen.

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Autor

Kathleen Bühler

Kathleen Bühler, Kuratorin und seit 2008 Leiterin der Abteilung Gegenwartskunst am Kunstmuseum Bern. Sie kuratierte unter anderem die Ausstellungen «Merets Funken» (2012), «Das schwache Geschlecht. Neue Mannsbilder in der Kunst» (2013/14) und «Chinese Whispers» (2016).

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