Kunst kennt kein Verfallsdatum
Die Genossenschaft Migros Aare hat seit Ende der 1960er- Jahre in unterschiedlich intensiven Etappen eine vielfältige Kunstsammlung mit Werken von zeitgenössischen Künstler*innen aus der Region Bern aufgebaut. Zwischen 1987 und 1997 hat der Direktor der Kunsthalle Bern, Ulrich Loock, im Auftrag der damaligen Genossenschaft Migros Bern, gezielt Kunstwerke von herausragenden Künstler*innen angekauft, die das aktuelle regionale Kunstschaffen abbildeten. 2005 gingen diese Werke als Schenkung an das Kunstmuseum Bern. Die Schenkung wird nun erstmals in einer eigenen Ausstellung gewürdigt. Nicht als Rückblick auf frühere – mittlerweile historische – Positionen, sondern in einem vielschichtigen Dialog mit Leihgaben aus den aktuellen Ankäufen der Kunstsammlung Migros Aare. Denn seit 2016 hat die Migros Aare ihre Sammlungstätigkeit wieder besonders intensiviert und eine Ankaufskommission eingesetzt, um herausragende regionale Kunst zu fördern und auszustellen. Die neue Sammlungsstrategie zeichnet sich dadurch aus, dass nun Kunst aus dem gesamten Genossenschaftsgebiet im Fokus steht und somit auch Künstler*innen mit Aargauer, Solothurner oder Bieler Wurzeln die Berner Runde aufmischen.
In der Ausstellung «Ohne Verfallsdatum. Schenkung und Leihgaben der Sammlung Migros Aare» werden also ältere Arbeiten aus der Ankaufszeit von Ulrich Loock, jüngeren Werken der Sammlung Migros Aare gegenübergestellt. Dies ist ein Glücksfall: Dieser doppelte Schwerpunkt erlaubt inspirierende Gegenüberstellungen und spannungsreiche Konfrontationen über einen Zeitsprung von rund 30 Jahren. Sammlungsbestände älteren Datums sind nicht nur Relikte vergangener Jahrzehnte, sondern sie können in der Nachbarschaft mit aktueller Kunst zu neuen Geschichten versponnen werden.
So stand die Unterscheidbarkeit zwischen Alt und Neu bei den kuratorischen Überlegungen nicht im Vordergrund. Und die Ausstellung ist auch nicht chronologisch angelegt. Sie zeichnet weder die Kunstgeschichte nach, noch liefert sie eine historisierende Erzählung von Ankaufsstrategien. Vielmehr wurden spezifische Raumerlebnisse mit unterschiedlichen thematischen oder formalen Bezügen geschaffen. Die Ausstellung soll als facettenreiches Ganzes erlebt werden, in dem unterschiedlichste Beobachtungen zu machen sind. Wir wollen Dialoge anregen: nicht nur medienübergreifend, sondern auch über Generationen und Geschlechter hinweg und über sammlungsbestimmende Prämissen hinaus. Dabei zeigen sich keineswegs nur Unterschiede zwischen den beiden Sammlungsbeständen, sondern auch viele inhaltliche und gestalterische Verwandtschaften.
Während im Schenkungsbestand der 1980er und 90er die klassischen Medien Malerei, Zeichnung und Skulptur überwiegen, herrscht heute mit Fotografie und Video medial eine grössere und selbstverständliche Vielfalt. Medial zeigen sich zeitspezifische Unterschiede, inhaltlich jedoch ebenso viele Gemeinsamkeiten. Es ist interessant zu sehen, dass es wiederkehrende, zeitunabhängige und deshalb übergeordnete Themen gibt, mit welchen sich die Kunstschaffenden auseinandersetzen. Neben kunstimmanenten Fragen wie z. B. das Verhältnis zwischen Abstraktion und Abbild, sind das Fragen zum Verhältnis von Mensch und seinem Lebensraum. Heutige Antworten und Ausdrucksweisen schärfen das Verständnis von Vergangenem. Frühere Haltungen und Interessen erweitern umgekehrt den gegenwärtigen Horizont
Somit löst die Ausstellung «Ohne Verfallsdatum» das Versprechen des Titels ein: Kunst kennt kein Verfallsdatum, solange man jeweils aktuelle Fragen an sie heranträgt und damit immer wieder neue Aspekte thematisiert.
Mit Werken von:
Peter Aerschmann, M.S. Bastian und Isabelle L., Babette Berger, Heinz Brand, Balthasar Burkhard, Vincent Chablais, Dimitra Charamandas, Quynh Dong, Marianne Engel, Esther Ernst, Gabi Fuhrimann, Mireille Gros, Maia Gusberti, Jerry Haenggli, Thomas Kneubühler, Tomas Kratky, Alois Lichtsteiner, Christian Lindow, Ingeborg Lüscher, Urs Lüthi, Heinz Mollet, Jürg Moser, Victorine Müller, Sadhyo Niederberger, Pat Noser, Adela Picón, Vaclav Pozarek, Ilona Ruegg, Claude Sandoz, Albrecht Schnider, Leopold Schropp, Irene Schubiger, Dominik Stauch, Andreas Tschersich, Rolf Winnewisser, Uwe Wittwer und Martin Ziegelmüller.
Die Ausstellung «Ohne Verfallsdatum. Schenkung und Leihgaben der Sammlung Migros Aare» eröffnet am Donnerstag 02. Mai und dauert bis am 15. September.
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Schlagwörter: Kunstsammlung Migros Aare, Schweizer Kunst