150 Jahre Adolf Wölfli und wie ich dazu kam
Ende 1987, bevor ich nach Genf studieren ging, trat ich im Kunstmuseum Bern ein Praktikum an. Der Adolf Wölfli-Stiftung zugeteilt (Was ist das?), wurde ich von Elka Spoerri empfangen, welche die Stiftung seit 1975 aufgebaut hatte und Wölfli zu internationalem Ruhm verhalf. Ich war zwar nicht sonderlich an Wölfli interessiert, half aber Elka das Archiv sowie die Bibliothek zu ordnen. Das war jeweils morgens, der Nachmittag gehörte dann der Verteidigung der neubesetzten Reitschule sowie den allabendlichen Protesten gegen die Räumung des Zaffarayas inkl. Tränengasparties. In diesen drei Monaten lernte ich, zu was Aussenseiter und Weggesteckte fähig sind und dass es sich lohnt, für Ideen und Freiraum zu kämpfen. Dann zog ich nach Genf zum Studium in Kunstgeschichte und deutscher Literatur. Irgendwann 1990 läutet das Telefon. Am anderen Ende war Elka und fragte mich: „Daniel, kannst Du wieder nach Bern kommen und etwas Ordnung schaffen?“ Von da an reiste ich einmal wöchentlich in die Stiftung, um zu katalogisieren, aber auch um das bestehende Inventar auf frisch angeschaffte Computer zu übertragen. Ohne es zu wollen, zog es mich immer tiefer in das Wölflische Universum hinein. Dabei lernte ich über Elka viele Leute kennen, denn sie war eng mit der Berner und internationalen Kunstszene verbunden, mit Harald Szeemann, Toni Gerber, Markus Raetz, Johannes Gachnang, Francesca Pia, Phyllis Kind und anderen.
Anfang 1995 ging die Planung einer grossen Wölfli-Monographie los und Elka fragte mich, ob ich einen Artikel beisteuern möchte. Ich entschied mich, über die Rezeption von Wölflis Werk zu schreiben (Artikel), weil ich Klarheit haben wollte, wer sich wann und warum für diesen aussergewöhnlichen Künstler interessiert hatte, mit welchen Vorstellungen, Vorurteilen und Hintergedanken. Dieser indirekte Zugang ermöglichte es mir, einen eigenen Weg durch das Dickicht von Kunst, Psychiatrie, Geschichte und Art Brut zu bahnen. Dabei wurde mir auch klar, dass, obschon Wölflis Werk seit 1975 im Kunstmuseum Bern deponiert war, das Verhältnis zwischen eines solchen Oeuvres und der Kunstgeschichte keineswegs geklärt war – bis heute nicht. Da wollte ich weiterdenken und es hält mich bis heute auf Trab. 1996 wurde ich zum Nachfolger von Elka Spoerri ernannt, eine grossartige 30% Stelle, die mich, wegen des weltweiten Interesse für diesen Künstler, in jeder Beziehung weit brachte, also nach Kyoto, Hong Kong, USA, Tschechei, Italien, Frankreich, Deutschland und und und. Damals, 1996, dachte ich mir, okay, ich mache das mal für ein paar Jahre. Dann aber packte mich es immer mehr und die Arbeit für und mit diesem Weltentwurf wurde zum perfekten Ausgleich zu meiner Arbeit in der Welt der zeitgenössischen Kunst. Während noch immer von vielen belächelt, erkannte ich in Wölflis Werk einen Benchmark, die nur wenige erreichen.
Jetzt bin ich nach fast zwei Jahren in den USA, wo ich die 2013 Carnegie International co-kuratiert habe, zurückgekehrt, denn dieses Jahr wollte ich mir nicht entgehen lassen: vor 150 Jahren wurde am 29. Februar (!) 1864 Adolf Wölfli in Bowil im Emmental geboren (Biografie) Natürlich geht das Jubiläumsjahr nicht ohne Stolz und Feier an uns vorbei … Im Herbst wird in Gugging in Wien eine umfassende Einzelausstellung eröffnet. Dann werden wir den ersten Teil seiner Schriften gratis ins Netz stellen, dazu ist eine 24stündige Lesung in Berlin geplant, aber das Feuerwerk steigt am 30. August in der Kunsthalle Bern und am 31. August in der Waldau Kapelle mit Konzerten und Kompositionen zu Wölfli, organisiert vom neu geschaffenen Verein Wölfli&Musik! Laufend mehr dazu auf www.150woelfli.ch. Bitte bringt Kuchen mit Kerzen mit!
Veröffentlicht unter Experten am Werk